Zurück zu den Wurzeln
Der VfB Stuttgart steht kurz vor der Verpflichtung des Oberschwaben Holger Badstuber
NEUSTIFT - Wenn man den 31-maligen Nationalspieler Holger Badstuber darum bitten würde, aus 40 Metern einen in den Boden gesteckten Ast zu treffen, würde ihn der 28-Jährige vermutlich selbst bei Gegenwind in zehn von zehn Versuchen souverän abholzen. Nicht nur Hermann Gerland, beim FC Bayern langjähriger Förderer, Trainer und auch Mentor, schwärmt oft und gerne von den Qualitäten des Verteidigers im Spielaufbau.
Andererseits: Als am Dienstag die Meldung „Badstuber vor Wechsel zum VfB“die Runde machte, kursierte im Internet sogleich ein Video, das man geschmacklos finden kann, aber die Krux dieses Deals noch einmal unterstreicht. Man sieht einen Krankenwagen mit Blaulicht durch eine Stadt brausen, darunter steht: Badstuber kurz vor der Ankunft in Stuttgart.
In siebeneinhalb Jahren für den FC Bayern hat der im oberschwäbischen Rot an der Rot aufgewachsene Holger Badstuber, WM-Dritter von 2010, gerade einmal 119 Bundesligaspiele absolviert. Fast zweieinhalb Jahre fiel er wegen vielfältigster Verletzungen aus. Am Ende seiner Münchner Zeit hatte der Rekordmeister so einen guten Kader, dass Badstuber keinen Anschluss mehr fand. Auch auf seiner Leihstation Schalke wurde er in der Rückrunde nicht glücklich, bei seinen zehn Einsätzen fand er ebenso wenig zu seiner früheren Klasseform zurück wie der Rest der Schalker. Sein Traum sei es, nun im Ausland zu spielen, ließ er danach wissen – und außerdem im Europacup. Also kam der VfB, der schon im Winter lose angefragt hatte, nicht infrage. Zumal man für den Preis eines Badstubers drei Verteidiger kaufen könnte, wie VfB-Präsident Wolfgang Dietrich im Frühjahr der „Schwäbischen Zeitung“sagte.
Potenzielle Identifikationsfigur
Drei Monate später stehen die Vorzeichen etwas anders. Der VfB sucht noch immer einen Innenverteidiger und Abwehrchef von Format, der, so das erste Primat, eben keinen zweistelligen Millionenbetrag kosten würde wie etwa Diego Reyes vom FC Porto. Er wäre angesichts seines Multi-Kulti-Kaders vermutlich auch froh, es wäre ein Deutscher, einer aus der Region sogar, eine potenzielle Identifikationsfigur also, die keine Bitttgebete in den Himmel stößt, wenn sie in der Allianz Arena einläuft – und zudem noch von 2002 bis 2004 zwei Jährchen für die VfB-Jugend spielte. Einer wie Badstuber also, der zudem noch ablösefrei ist.
Badstuber wiederum, der selbst auch Zweifel gehabt haben könnte, ob der Aufsteiger gerade in der Defensive höheren Ansprüchen genügt, kann sich inzwischen mit der Vorstellung, ein Teil des Stuttgarter Aufbruchs zu werden, offenbar anfreunden. Gespräche mit dem FC Sevilla verliefen im Sande, mögliche oder auch eher unmögliche Wechsel ,etwa in die Türkei oder nach England, kamen ebenfalls nicht zustande. Also doch lieber für etwas weniger Geld das Rampenlicht Bundesliga.
Im Prinzip abgeschlossen, wie der „Kicker“schreibt, sind die Verhandlungen aber noch nicht. „Ich kann Ihnen gar nichts sagen. Es gibt keine Entscheidung in diese Richtung“, sagte VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser am Dienstag vor dem 3:3 im Test gegen Huddersfield zu Sky. Und: „Es gibt eine Reihe von Kandidaten, die in unser Profil passen“. Was man halt so sagt, wenn man in Gesprächen ist, aber noch nicht mehr sagen kann. Es spricht aber sehr viel dafür, dass Badstuber, der sich im Juni nach zwei Jahren Ehe von Gattin Natascha, einer Obst- und Gemüsehändlerin, wieder scheiden ließ, demnächst beim VfB aufschlägt.
Er wolle doch nur spielen – das, was ihm nach monatelangem Reservistendasein in München so wichtig war, dürfte beim VfB für Badstuber kein Problem werden. Auf welchem Niveau er spielt und ob er die gesuchte große Verstärkung wird, dürfte zuvorderst von seinem Körper abhängen. Zuletzt hielt er sich in München fit. Das Wichtigste ist: Er ist seit rund einem Jahr verletzungsfrei.
Angeblich hat Stuttgart außerdem bereits vor drei Wochen vier Millionen Euro für den Schweizer Nationalspieler Florent Hadergjonaj (23/ Vertrag bis 2020) vom FC Ingolstadt geboten. Der FCI aber soll fünf Millionen fordern – und verbannte den wechselwilligen Stammspieler (wie auch Innenverteidiger Marcel Tisserand) fürs Erste auf die Bank. Das Pokerspiel dürfte weitergehen. Auch die Frage, ob der Wolfsburger Christian Träsch (32) aus dem Spiel wäre, sollte Hadergjonaj kommen, bleibt offen. Der frühere Stuttgarter kann schließlich auch auf der Sechs spielen, auch da hätten die Stuttgarter noch Bedarf.