Umstrittener Handel mit Gärresten scheint zu florieren
Überbleibsel aus Biogasanlagen gelten als guter Dünger – Anrainer beschweren sich über „bestialischen Gestank“
WANGEN/KISSLEGG - Im Dreiländereck am östlichen Bodensee gibt es offenbar einen regen Handel mit flüssigen Gärresten. Sie stammen aus Biogasanlagen und werden als Dünger auf Felder und Wiesen ausgebracht.
Beim Einhalten diverser gesetzlicher Vorgaben ist dies legal. Jüngst hat es aber Beschwerden von Anrainern im Raum Wangen gegeben, dass vor allem Gärreste aus Speiseabfällen extrem stinken würden. Desweiteren ist die Resteverwertung in der Landwirtschaft durchaus umstritten. Es gibt Vermutungen, dass Gärreste Krankheitskeime in die Umwelt bringen könnten. So verbietet etwa die Großmolkerei Vorarlberg Milch laut Informationen der Vorarlberger Nachrichten ihren Bauern den Einsatz von Gärresten auf den Wiesen.
Ein bedeutender Akteur der Szene scheint das Abfallunternehmen Häusle in der Vorarlberger Marktgemeinde Lustenau zu sein. Es betreibt auf seinem Gelände auch eine Biogasvergärungsanlage. Für Häusle ist der Gärreste-Handel ein Teil des Geschäftsmodells: „Wir geben an Landwirte die Flüssigphase aus dem Prozessverfahren zur Behandlung von biologischen Abfällen ab“, sagt Pressesprecher Martin Dechant. Volkstümlich ausgedrückt meint er damit die Abgabe von flüssigen Gärresten. Dechant betont, dass sie „nach EURecht völlig legal an Landwirte abgegeben werden“dürfen. Die Bauern dürften den Stoff als Bio-Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausbringen.
In Vorarlberg gibt es jedoch ein zentrales Problem. Das Land hat nur begrenzte Flächen. Und sofern den Bauern von Vorarlberg Milch wirklich das Ausbringen flüssiger Gärreste verboten sein sollte, verringert sich dieser Raum ein weiteres Mal. Die Molkerei gibt hierzu keine Stellungnahme ab. Bemerkenswerterweise gibt es noch einen weiteren Aspekt zu den zur Verfügung stehenden Flächen.
Biomüll aus Kreis Ravensburg kommt nach Lustenau
Wie die Vorarlberger Landesregierung mitteilt, betrifft dies Schweizer Bauern, die über Grund in Vorarlberg verfügen. Sie hätten eine Ausnahmegenehmigung, um hofeigenen Mist oder Gülle über die Grenze zu bringen. Mit Blick auf Gärreste heißt es übrigens von der Landesregierung in Bregenz, sie könnten „nur nach einer Erteilung des Ministeriums und der Beibringung veterinärbehördlicher Zeugnisse eingebracht werden“. Aktuell seien aber keine solchen „Verbringungen“bekannt.
Die Firma Häusle hat aber einen großen Anfall an Gärresten. So liefert der Landkreis Ravensburg seinen Biomüll nach Lustenau. Er wird dort verarbeitet. Häusle-Pressesprecher Dechant sagt: „Im Rahmen der Abgabe des Biodüngers kann es sein, dass auch Landwirte diesen Biodünger in Süddeutschland ausbringen. Das ist gesetzeskonform.“Gleichzeitig wäre es eine interessante Kreislaufwirtschaft. Hans-Peter Schmid, Geschäftsführer der in Tettnang-Rattenweiler ansässigen Firma Schmid-Wertstoffe, meint dazu: „Da in Vorarlberg gar nicht genug geeignete Flächen zur Verfügung stehen, müssen die Vorarlberger exportieren. Die Mengen, die von Vorarlberg zu uns kommen, werden zukünftig einheimische Mengen verdrängen.“
Immerhin bestätigt beispielsweise das Landratsamt Lindau, dass Bauern aus dem Landkreis „ein Düngesubstrat aus pasteurisierten Gärresten“von einer nicht näher genannten österreichischen Firma beziehen. Bei direkter Ausbringung auf den Flächen sei dies laut einer EU-Verordnung gestattet. Bei einem an die Öffentlichkeit gekommenem Fall unweit von Wangen wurden Transporter mit österreichischem Kennzeichen bei der Anlieferung von flüssigen Gärresten beobachtet. Nach dem Ausbringen beschwerten sich Anrainer „über einen bestialischen Gestank“. Es gab Vermutungen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Das Landratsamt Ravensburg wurde aufmerksam. Bei der folgenden Überprüfung gab es jedoch keine Beanstandungen.
Grundsätzlich gelten flüssige Gärreste als guter Dünger. Es heißt auch, ausgegorene Gärreste seien nicht geruchsintensiver als Gülle. Dies treffe auch auf Speise- oder Schlachtabfall-Gärreste zu. Stimmt die Temperatur in der Biogasanlage, würden auch Krankheitskeime abgetötet. BadenWürttembergs Landwirtschaftsministerium bestätigt, dass eine Pasteurisierung für eine anmeldefreie Ausbringung nötig sei. 70 Grad Celsius während einer Stunde seien vorgeschrieben.
Von der Kißlegger Firma Biologische Reststoff-Verwertung folgt die Ergänzung, dass es beim Geruch von Gärresten im Weiteren auf die Art der Ausbringung ankäme. „Bodennahe Ausbringung, beziehungsweise die Einarbeitung in Ackerland verringern neben Verlusten von wertvollen Stickstoffstoffverbindungen die Geruchsemissionen zuverlässig“, teilt Lisa Rupp, die kaufmännische Leiterin der Firma, mit. Das Unternehmen sammelt selbst Speisereste in der umliegenden Region ein, um sie zur BiogasProduktion zu nutzen. Die entstehenden Gärreste werden als Dünger gehandelt.
Bei den Vorarlberger Nachbarn wollen wiederum die Vorarlberger Nachrichten eine Gärreste-Drehscheibe ausgemacht haben. In diesem Fall ist von einem baden-württembergischen Unternehmen ohne Namensnennung die Rede. Angeblich bezieht es flüssige Gärreste von Häusle und verkauft sie teilweise als Dünger zurück nach Vorarlberg. Nach einer entsprechenden Meldung der Zeitung habe Häusle immerhin eine Geschäftsbeziehung zu der deutschen Firma bestätigt. Einzelheiten waren auf Anfrage von Häusle nicht zu erfahren.