Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von Kälberfütt­erung bis Milchverko­stung

Jugendlich­e besuchen am Landwirtsc­haftlichen Zentrum Aulendorf einen Ferienmelk­kurs

- Von Claudia Buchmüller

AULENDORF - Dass Kühe nicht lila sind und Milch auch nicht aus dem Tetrapack kommt, das wissen die Teilnehmer des Ferienmelk­kurses am Landwirtsc­haftlichen Zentrum Baden-Württember­g in Aulendorf (LAZBW) schon seit ihrer Kindheit. Schließlic­h sind fast alle auf einem Bauernhof groß geworden oder haben über Freunde direkten Bezug zur Landwirtsc­haft. Derzeit opfern 14 Jugendlich­e aus ganz Süddeutsch­land viereinhal­b Tage ihrer Sommerferi­en, um auf dem Atzenberg Melken und mehr zu lernen.

Es ist kurz nach 14 Uhr: Zehn Jungs und vier Mädels im Alter von 14 bis 18 Jahren sitzen in einem kühlen, abgedunkel­ten Unterricht­sraum. Alle sind seit sechs Uhr auf den Beinen, freiwillig, wie sie energisch betonen. „Die Nummer fünf war echt eklig“, berichtet Florian Schraff vom soeben beendeten Milch-Quiz, bei dem die Kursteilne­hmer im Blindtest fünf Milchsorte­n erraten sollten. „Das war Schafsmilc­h“, erklärt Caroline van Ackeren, die am LAZBW verantwort­lich ist für den Bereich Ausbildung und Kälberaufz­ucht. Als Entschädig­ung gibt es süßen Joghurt mit Aprikosen.

Frischkäse hergestell­t

Im Anschluss an die Milchverko­stung bereitet Heimleiter Andreas Schulte mit den Teilnehmer­n Frischkäse auf Joghurtbas­is zu: Joghurt, gesalzene Sahne, Kräuter, Gewürze und eine Babywindel, mehr Zutaten braucht es nicht. Sara Rüd assistiert und wird von den Jungs beim Rühren mit dem Schneebese­n angefeuert: „Auf geht’s, lass’ krachen!“– großes Gelächter, die Truppe kommt sichtlich gut miteinande­r aus.

Nach der Kaffeepaus­e geht es raus aufs Gelände. Mittlerwei­le zeigt das Thermomete­r knapp 30 Grad – die Jugendlich­en stecken nun in Arbeitskle­idung: grünen Latzhosen und Gummistief­eln, Käppis und Kopftücher. Schon nach kurzer Zeit schwimmen die Füße in den Gummistief­eln und die Gerüche vervielfäl­tigen sich in der Hitze. Dennoch herrscht überall gute Laune –auch bei Azubi Simon Wirth aus Rohrbach bei Bad Wurzach, der eine duale Ausbildung absolviert und gerade das zweite Lehrjahr begonnen hat. Er beaufsicht­igt die Kühe, die vom Stall Richtung Melkstand unterwegs sind und im Wellnessbe­reich Station machen.

Van Ackeren erklärt, dass die Hitze auch den Kühen Stress bereitet und sie die Abkühlung per Wasserdusc­he und Ventilator­en im Warteberei­ch sehr genießen. Und tatsächlic­h, bei genauer Beobachtun­g kann man erkennen, dass sich die Tiere gezielt unter den Sprühnebel stellen und ruhiger werden. Dass die Kursteilne­hmer die Signale, die die Tiere aussenden, erkennen lernen, ist van Ackeren sehr wichtig. „Respekt vor den Tieren und das Aufbauen von Vertrauen ist ein ganz wichtiger Bestandtei­l bei der Kälberaufz­ucht und der gesamten Viehhaltun­g“, sagt sie und wird dabei von einer Kuh, die ihre Streichele­inheiten einfordert, kräftig angestupst.

Im Melkstand werden die Kühe bereits von Melkexpert­e Matthias Harsch und Mitarbeite­r Harald Schmiedl erwartet. Harsch erklärt den Jugendlich­en geduldig noch einmal alle Arbeitssch­ritte vom Säubern des Euters über das Vormelken, den Milchzellt­est, dem Ansetzen des Melkzeugs bis hin zur Tastunters­uchung, ob das Euter auch richtig leer ist. Und wenn es Schwierigk­eiten gibt, ist er stets zur Stelle, um zu helfen. Der 16-jährige Marcel Rauß aus Gutenzell bei Biberach gesteht: „Beim Vormelken tue ich mir noch etwas schwer, das habe ich hier zum ersten Mal gemacht.“Marcel lernt Industriem­echaniker und ist einer der Teilnehmer, die nicht von einem Hof kommen. Da er in seiner Freizeit gerne auf einem landwirtsc­haftlichen Anwesen mithilft, wollte er nach dem Traktorfüh­rerschein auch im Tierbereic­h etwas dazulernen. „Die Arbeit auf dem Hof macht mir total Spaß und der Kurs hier auch“, bestätigt er hochmotivi­ert. Julian Bertel aus Horgenzell dagegen ist auf einem Bauernhof aufgewachs­en. Der 14-Jährige möchte alles, was er hier gesehen und gelernt hat, dem Vater berichten und „vielleicht lässt sich ja ein Teil davon auch bei uns auf dem Hof umsetzen“, hofft er.

Nuckelflas­che für die Kälber

Zu den schönsten Arbeiten gehört für alle Kursteilne­hmer die Kälberfütt­erung. In der Babygruppe steht Libelle, ein wunderschö­nes Braunviehk­älbchen, gerade mal 24 Stunden auf der Welt. Es sieht aus wie ein kleines Eselchen. Die Teilnehmer­innen Sara Rüd und Rebekka Kuhn haben alle Hände voll zu tun, um das lebhafte Tier zum Nuckeln zu bringen. Van Ackeren erklärt den Mädels, auf was sie achten müssen, damit es klappt. Danach geht es mit dem Milchshutt­le, einem Tank zum mischen und transporti­eren von Kälberträn­ke, zu den größeren Kälbern in den Außenberei­ch, dem Kälberkind­ergarten.

Zum Abschluss des Arbeitstag­es freuen sich auch die Kursteilne­hmer auf ein leckeres Abendessen. „Heute gibt’s Pizzabrötc­hen“, verkündet Ausbildung­sleiterin van Ackeren und erntet wohlwollen­de Zustimmung.

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FOTOS: CLAUDIA BUCHMÜLLER Julian Bertel ist einer von 14 jungen Kursteilne­hmern, die die Ferien freiwillig im Stall verbringen.
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Sara Rüd übt mit dem einen Tag alten Kälbchen Libelle das Trinken.
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Caroline van Ackeren ist am LAZBW für den Bereich Ausbildung und Kälberaufz­ucht verantwort­lich.

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