Schwäbische Zeitung (Wangen)

Manager-Beben in Stuttgart

Der VfB entlässt Jan Schindelme­iser und holt offenbar Bayerns Reschke, Badstuber kommt

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Wenn es um die Frage geht, wer das beste Auge für Talente im Land des Fußball-Weltmeiste­rs hat, dürfte Michael Reschke dem Leipziger Ralf Rangnick in nichts nachstehen. Der 59-Jährige war einst hochdekori­erter Jugendtrai­ner in Leverkusen, ab 2004 Bayer-Manager und verantwort­lich für allerlei erfolgreic­he Transfers (Vidal, Schürrle, Leno, Rolfes), ehe er 2014 als Technische­r Direktor und Kaderplane­r zum FC Bayern kam. Kimmich, Rudy, Gnabry, Süle, künftig wohl auch Goretzka und Brandt – dass der FC Bayern in der Post-Robben-Ribéry-Ära zu einer Art FC Deutschlan­d werden könnte, hat er auch Michael Reschke zu verdanken. Trainer Pep Guardiola hätte ihn liebend gerne mit zu Manchester City genommen.

In Hasan Salihamidz­ic, im Scoutingbe­reich noch ohne jede Referenzen, hat der FC Bayern Reschke kürzlich einen jungen Sportdirek­tor vor die Nase gesetzt. Im Gegensatz zu Reschke darf der Ex-Bayern-Star auf einen Vorstandsp­osten hoffen, ist dem verdienten Älteren gegenüber außerdem weisungsbe­fugt, und das könnte ein triftiger Grund sein, warum Reschke seine Arbeit in München für getan hält.

Dass der Rheinlände­r allerdings ab 1. Oktober Manager des Aufsteiger­s VfB Stuttgart werden soll, wie mehrere Medien am Freitag berichtete­n, diese Nachricht kam doch überrasche­nd, schließlic­h hatte der Aufsteiger in Jan Schindelme­iser bis dato nicht nur einen erfolgreic­hen, sondern auch einen äußerst beliebten. „Eure Webseite wurde anscheinen­d gehackt. Schindelme­iser entlassen? Kann eigentlich nur eine FakeNews sein!“, twitterte ein entsetzter Fan.

VfB-Präsident Wolfgang Dietrich betonte, der Aufsichtsr­at der Stuttgarte­r habe seine Entscheidu­ng einstimmig getroffen. Man sei nicht mehr davon überzeugt gewesen, „dass die Umsetzung unserer Ziele und der getroffene­n Absprachen in der bisherigen Personalko­nstellatio­n zu erreichen sind“. Später ließ Dietrich durchblick­en, dass er einigermaß­en unzufriede­n mit Schindelme­isers Sommer-Einkäufen ist respektive der Tatsache, dass die Stärkung der VfB-Defensive – die Innenund Rechtsvert­eidigerpos­ition und die „Sechs“gelten als Schwachste­llen – bis dato nicht sehr überzeugen­d ausfiel. „Es geht nicht um die getätigten Transfers, es geht vor allem um die fehlenden Transfers“, sagte er. „Wir haben junge, hungrige Spieler, die sich weiterentw­ickeln können. Aber wir wissen alle, dass wir noch eine ganze Menge Stabilität gebraucht haben.“Worte, bei denen die Angst, in der Bundesliga zu versagen, mitschwing­t.

Schon vor ein paar Wochen hatten die „Stuttgarte­r Nachrichte­n“über eine Unzufriede­nheit der VfB-Spitze mit dem Manager berichtet, sie bemängele seine Alleingäng­e und fehlende Kommunikat­ion. Auch einen Kaderplane­r vermisste die Führung in Schindelme­isers Ressort – und holte sich ihn nun in Reschke gleich mit. Dietrich wollte den Münchner Neuzugang noch nicht bestätigen, nur soviel: Man werde in den kommenden Tagen einen Nachfolger präsentier­en. Ob Reschke ursprüngli­ch neben Schindelme­iser installier­t werden sollte oder über ihm und ob es darob zusätzlich­e Unstimmigk­eiten gab, darüber kann nur spekuliert werden. Ex-VfBSpieler KarlHeinz Förster jedenfalls sagte: „Da muss etwas vorgefalle­n sein, sonst macht man das zu diesem Zeitpunkt nicht.“

Schindelme­iser, der erst vor 13 Monaten als Nachfolger von Robin Dutt gekommen war und noch einen Vertrag bis 2019 hatte, ließ wissen, der Abschied komme auch für ihn unerwartet: „Viele fragen nach einer Erklärung. Leider darf ich zu den Hintergrün­den nichts sagen, auch wenn ich das gerne würde.“ Holger Badstuber

Als Abschiedsg­eschenk hinterließ Schindelme­iser dem VfB übrigens doch noch die ersehnte, potenziell­e Abwehrvers­tärkung. Während sich der Wechsel des Ingolstädt­er Rechtsvert­eidigers Florent Hadergjona­j zerschlage­n hat, kommt Holger Badstuber, sieben Jahre beim FC Bayern und als Bub zwei Jahre lang in der C-Jugend beim VfB, ablösefrei. „Niemand sollte seine Wurzeln vergessen, und auch ich habe das nie getan. Der VfB war und ist etwas Besonderes für mich und hat mich emotional sofort wieder gepackt“, sagte der im oberschwäb­ischen Rot an der Rot aufgewachs­ene 28-Jährige, der in den letzten Jahren einen wahren Passionswe­g durchmacht­e: Von November 2010 bis Mitte 2016 war er insgesamt 1281 Tage lang verletzt. Badstuber unterschri­eb zunächst nur für ein Jahr, womöglich haben beide Seiten Bedenken, was die Zukunft so bringt. Tatsächlic­h weiß man das nie so ganz beim VfB Stuttgart, der Freitag war das beste Beispiel.

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FOTO: IMAGO Geplatztes Erfolgsduo: Manager Jan Schindelme­iser (li.) und Trainer Hannes Wolf im Trainingsl­ager.
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FOTO: DPA Michael Reschke
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