Kritik an Trumps „absurder“roter Linie
Drohungen des US-Präsidenten gegen Nordkorea werden in Washington als Fehler gesehen
WASHINGTON - In Washington gibt es einen Aufschrei kollektiven Entsetzens: Was hat er schon wieder gesagt? Seit US-Präsident Donald Trump in seinem Golfclub verkündete, er werde Nordkorea mit Feuer und Zorn begegnen, wie es die Welt noch nicht gesehen habe, fällt das Urteil gestandener Außenpolitiker einhellig aus.
Wenn Trump aus einem Impuls heraus die höchste verbale Eskalationsstufe wähle, beraube er sich dessen, worauf er in kniffliger Lage unter keinen Umständen verzichten sollte, warnen Republikaner wie Demokraten. Er nehme sich die Möglichkeit, unter verschiedenen Optionen zu wählen, gründlich abwägend, statt unter dem Druck unbedachter Äußerungen in Zugzwang zu geraten.
John McCain ist ein Politiker, der durchaus Wert darauf legt, amerikanische Stärke zu demonstrieren. Ein Hardliner mit einem Hang zum Eigenwilligen, jedenfalls ohne die geringste Scheu, sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Im Streit um die nordkoreanischen Atomwaffen geht der 80 Jahre alte Senator so prägnant auf Distanz zu Trump, wie es in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten war.
„Großen Knüppel tragen“
Er stoße sich an den Äußerungen des Präsidenten, sagte McCain einem Fernsehsender in Arizona, „weil du sicher sein musst, dass du das, von dem du sagst, dass du es tun wirst, auch wirklich tun kannst“. Richtig wäre es gewesen, hätte Trump die Maxime Teddy Roosevelts beherzigt, den Ratschlag, sanft zu sprechen und einen großen Knüppel zu tragen – „talk softly and carry a big stick“.
In Trumps Kabinett mag es Strategen geben, die den Staatschef dazu angestachelt haben, kräftig mit dem Fuß aufzustampfen, womöglich aus dem Kalkül heraus, den Handlungsdruck auf China zu erhöhen. Herbert Raymond McMaster, der Sicherheitsberater, hat vor wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit betont, dass man an militärischen Szenarien arbeite.
Verteidigungsminister James Mattis dagegen hat vor nicht allzu langer Zeit ebenso öffentlich vor den katastrophalen Folgen eines Krieges in Asien gewarnt. Welche Rolle altgediente Generäle wie Mattis, McMaster oder John Kelly, neuerdings Stabschef im Weißen Haus, in dieser Krise spielen, bleibt unklar. Ob sie bremsen oder nicht, kein Außenstehender weiß das seriös zu sagen. Was ein Bluff ist und was nicht, auch diese Frage kann niemand beantworten.
Klar ist immerhin, mit welcher Skepsis etliche Parlamentarier, über Parteigrenzen hinweg, der Krisenstrategie des Oval Office begegnen. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein spricht von bombastischen Kommentaren, die nichts zur Lösung beitragen. Der Versuch, Nordkorea zu isolieren, sei gescheitert, doziert die Kalifornierin. Daher müssten die USA rasch – und auf hoher Ebene – einen Dialog mit Pjöngjang anstreben, und sie hoffe, dass Außenminister Rex Tillerson genau dies mit seinen asiatischen Partnern diskutiere. Brian Schatz, ein Senator, der Hawaii im Kongress vertritt, den potentiell von nordkoreanischen Atomwaffen bedrohten Bundesstaat im Pazifik, klagt über den Mangel an Expertise in den Reihen der Administration, über noch immer unbesetzte Schlüsselposten im State Department. „Wir brauchen professionelle Leute, die diesen Prozess lenken“, schreibt er bei Twitter. „Aus unseren Kriegen im Nahen Osten haben wir gelernt, dass schlechte Entscheidungen in einer schrecklichen Situation alles noch schlimmer machen.“
Trump untergrabe Amerikas Glaubwürdigkeit, indem er eine „absurde“rote Linie ziehe, sagt Eliot Engel, der ranghöchste Demokrat im außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses. Natürlich bedeute das nukleare Arsenal Nordkoreas eine Gefahr. Der Präsident aber habe jede Balance verloren, wenn er zu verstehen gebe, dass er als Reaktion auf „hässliche Worte“eines Despoten an den Einsatz von Atomwaffen denke.
Archivare haben nach Trumps Feuer-und-Wut-Sätzen nach Vergleichbarem gesucht, und was sie fan- den, war eine Rede Harry Trumans aus dem August 1945. Gehalten, nachdem die Besatzung der „Enola Gay“über Hiroshima erstmals eine Atombombe abgeworfen hatte. Falls sich Japan dem Ultimatum der Alliierten nicht beuge, könne es „einen Regen der Vernichtung aus der Luft erwarten, etwas, was auf dieser Erde noch nie gesehen wurde“, erklärte der damalige Präsident. Kurz darauf brachten die USA über Nagasaki die zweite Nuklearwaffe zur Explosion.
Die Worte haben auch einen biblischen Klang: Vor allem im Alten Testament sind „Feuer“und „Zorn“Umschreibungen des Gottesgerichts.