„Sexverzicht ist medizinisch unsinnig“
Foqus-Vorsitzender Michael Maucher über neue Regel für Schwule bei der Blutspende
RAVENSBURG - Homosexuelle Männer durften in Deutschland bislang kein Blut spenden, weil sie ein höheres Risiko haben, sich mit Infektionskrankheiten wie HIV anzustecken. Und auch Heterosexuelle mit einem blühenden Sexleben waren als Spender nicht gern gesehen. Das soll sich in Zukunft ändern. Unter einer Bedingung: Sie leben ein Jahr enthaltsam. Jasmin Bühler hat mit Michael Maucher, Vorsitzender des Ravensburger Schwulen- und Lesbenvereins Foqus, über die neue Richtlinie der Bundesärztekammer gesprochen.
Herr Maucher, was halten Sie von der Lockerung der Regel, dass Homosexuelle und Heterosexuelle mit viel sexuellem Kontakt nach einem Jahr Enthaltsamkeit Blut spenden dürfen? Ist das eine Verbesserung?
Von der „Lockerung“halte ich nicht viel, sie ist eher eine ärgerliche Angelegenheit. Eine Verbesserung stellt die geänderte Richtlinie auf keinen Fall dar. Hier ist zu fragen: Warum wurde die Richtlinie geändert? Hauptgrund ist sicher, dass insgesamt zu wenig Blut gespendet wird, und man nun mit einer geänderten Richtlinie eventuell versucht, neue Spendergruppen zu erreichen. Dies funktioniert so aber nicht, da nun die Hürden erneut zu hoch sind.
Hat Ihrer Meinung nach auch die Diskriminierung Homosexueller etwas damit zu tun?
Vielleicht war auch das ein Grund. Aber was herausgekommen ist, ist keine Verbesserung, sondern eine Verfestigung der Diskriminierung. Denn leider orientiert sich die Richtlinie nicht an der realen Risikobeurteilung einer Blutspende, sondern an der Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe.
Und wovon hängt das Risiko dann ab?
Davon, ob in den vergangenen Wochen zum Beispiel durch einen ungeschützten sexuellen Kontakt ein Infektionsrisiko eingetreten ist. Hier spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Spender nun heterosexuell oder homosexuell ist.
Ist ein Jahr Sexverzicht nicht ganz schön viel verlangt, um einmal Blut spenden zu können?
Diese Vorgabe ist medizinisch unsinnig. Und weil sie sich auf eine Bevölkerungsgruppe beschränkt, ist sie auch diskriminierend. Damit wird auf keinen Fall eine Erhöhung der Spendenbereitschaft erreicht werden, eher im Gegenteil. Außerdem wird auch nicht erklärt, wozu der Sexverzicht dienen soll.
Wäre eine Sechs-Wochen-Frist, wie sie die Deutsche Aidshilfe vorschlägt, sinnvoller?
Ja, das reicht bei HIV medizinisch völlig aus, um ein Infektionsrisiko ausreichend beurteilen zu können. Denn die sechs Wochen genügen, um zu beurteilen, ob ein Risiko vorliegt oder nicht – egal ob bei homo- oder heterosexuellen Spendern. Nur dies kann der entscheidende Maßstab sein.