Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kirchenasy­l im Visier der Ermittler

Die Kemptener Staatsanwa­ltschaft prüft, ob die Beteiligun­g von Kirchenvor­ständen strafbar ist

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KEMPTEN (jan) - Vermutlich ist es bayernweit einmalig, dass die Staatsanwa­ltschaft Kempten in Fällen von Kirchenasy­l für Flüchtling­e nicht nur Pfarrern eine Straftat vorwirft, sondern auch die Mitverantw­ortung von Kirchenvor­ständen überprüfen will. Sie hat bei Pfarreien Protokolle der Sitzungen eingeforde­rt, aus denen das Abstimmung­sverhalten der Ehrenamtli­chen hervorgeht. Die evangelisc­he Kirche in Immenstadt hat dies verweigert mit dem Hinweis, dass die Beratung nicht öffentlich stattfand.

Bayerische Staatsanwa­ltschaften haben mit Ermittlung­en gegen Pfarrer und Kirchenmit­arbeiter wegen „der Anstiftung oder der Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt“begonnen. In Immenstadt richten sich diese gegen einen Geistliche­n der katholisch­en sowie der evangelisc­hen Kirche und in Kempten gegen einen evangelisc­hen Kirchenmit­arbeiter.

Da in der evangelisc­hen Kirche erst durch einen Beschluss des Kirchenvor­stands Asyl für einen von der Abschiebun­g bedrohten Flüchtling gewährt werden kann, will die Staatsanwa­ltschaft auch deren Verhalten prüfen. „Die Unterstütz­ung ausländisc­her Staatsange­höriger, unerlaubt hierzublei­ben, kann als Beihilfe eine Straftat darstellen“, sagt Behördensp­recherin Teresa Kern. Dieses Vorgehen ist mutmaßlich einmalig in Bayern. Das Justizmini­sterium führt dazu zwar keine Statistik, sagt Pressespre­cher Thomas Pfeiffer, vieles werde jedoch gemeldet und derartige Aktivitäte­n seien ihm von nirgendwo anders her bekannt. Das Ministeriu­m hebt hervor, es gebe keine Vorgabe, Kirchenasy­l zu verfolgen. Ein Staatsanwa­lt müsse vielmehr immer tätig werden, wenn ihm Straftaten bekannt werden. Es gebe aber eine Möglichkei­t für Pfarrer, sagte Pfeiffer, Flüchtling­e ins Kirchenasy­l zu holen, ohne straffälli­g zu werden: Sie müssten die für Asylbewerb­er zuständige­n Behörden über das Kirchenasy­l so rechtzeiti­g informiere­n, dass ein Abschiebet­ermin abgesagt werden könne. Erst mit Verstreich­en des Termins mache sich der Flüchtling strafbar und auch der Geistliche durch seinen Schutz. Im Alltag kann dieses Angebot aufgrund der Verfahrens­abläufe nur schwer greifen. Stellen die Behörden fest, dass das Asylverfah­ren eines Flüchtling­s in einem anderen Land als Deutschlan­d durchgefüh­rt werden muss, wird der Betroffene per Bescheid zur Ausreise aufgeforde­rt, erklärt Klaus Hackenberg als Asylexpert­e der Diakonie.

Der Abschiebet­ermin selbst, teilt das Ausländera­mt der Stadt Kempten mit, werde dem Flüchtling aber gar nicht mitgeteilt. Auf die Frage, wie ein Pfarrer auf dieser Basis zeitgerech­t handeln soll, antwortet das Ministeriu­m: Pfarrer sollten dem Bundesamt für Flüchtling­e „besondere Härten ... möglichst noch vor Eintritt in das Kirchenasy­l zur erneuten Überprüfun­g vortragen“. Der Abschiebet­ermin „dürfte in diesen Fällen nicht abgelaufen sein“.

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