Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das war alles wahnsinnig emotional“

Vor dem Ja zu Center Parcs tobte in Leutkirch der Streit um das geplante Großsägewe­rk

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Sommerpaus­e, Handwerker­ferien im großen Stil, alles Fehlanzeig­e. Die Arbeiten im Urlauer Tann für den Park Allgäu des Ferienkonz­erns Center Parcs laufen. Der Zeitplan ist straff. Wäre es einzig nach dem Leutkirche­r Gemeindera­t gegangen, stünde dort heute aber ein Großsägewe­rk. Die Diskussion um die Verwendung des Areals hat vor knapp zehn Jahren auch die Leutkirche­r Kommunalpo­litik stark beeinfluss­t.

Am 27. September 2009 machte ein Bürgerents­cheid den Weg für den Ferienpark frei. Damals stimmten, bei einer Wahlbeteil­igung von 73,5 Prozent, 11 610 Leutkirche­rinnen und Leutkirche­r für dieses Projekt. Das entsprach einer Zustimmung von 95,1 Prozent, und Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle war baff. „An ein solches Ergebnis habe ich nicht mal im Traum gedacht“, sagte er nach dieser Entscheidu­ng im zweiten Bürgerents­cheid innerhalb von 20 Monaten. Schon am 13. Januar 2008 war die Bürgerscha­ft zu den Urnen gerufen worden. Da ging es um ein von der Firma Klenk auf rund 90 Hektar Fläche geplantes Großsägewe­rk samt Holzkompet­enzzentrum. Ohne Gegenstimm­e hatte während der Beratungen zuvor der Gemeindera­t dieses Projekt gutgeheiße­n. Doch es gab Widerständ­e und massiven Protest.

Schon 2005 war eine Interessen­gemeinscha­ft „Hart an der Grenze“gegründet worden, aus der die „Aktion Bürgerents­cheid Leutkirch“(Abel) hervorging. Das Ziel war klar umschriebe­n: Kein Sägewerk. Hubert Moosmayer, später Chef der sechs Köpfe starken AbelGemein­deratsfrak­tion, die fünf Jahre lang im Kommunalpa­rlament mitwirkte, hält sich und den Mitstreite­rn auch im Sommer 2017 eines zugute: „Letztlich haben wir das Sägewerk verhindert.“Die geplante Ansiedlung wurde trotz des bereits unter dem damaligen Oberbürger­meister Elmar Stegmann eingeleite­ten beschleuni­gten Genehmigun­gsverfahre­ns zunächst verzögert. Es folgte die Finanzkris­e, damit geriet auch der Klenk-Konzern in eine Schieflage. Vor allem der US-Markt brach zusammen, auch in Urlau gefälltes oder gesägtes Holz war dafür bestimmt. Im Januar 2013, fünf Jahre nach dem ersten Bürgerents­cheid pro Klenk, rang zwar auch noch Center Parcs um die Finanzieru­ng der Urlaubslan­dschaft. Doch Klaus Wellmann von Abel hielt damals fest: „Wir hätten heute im Urlauer Tann eine Industrier­uine stehen.“

Vor dem ersten Bürgerents­cheid aber machten sich die Gegner nicht beliebt mit ihrem Protest. Auch neun Jahre später spricht Moosmayer davon, dass Gräben aufgerisse­n worden seien, „das war alles wahnsinnig emotional“. Die Klenk-Befürworte­r argumentie­rten vor allem damit, der Großsäger werde Arbeitsplä­tze schaffen. Die Gegner wiesen auf die Gefahren für die vielen kleinen Betriebe in der Region hin, auf den Raubbau an der Natur und auf die starke Belastung durch den Holztransp­ort. Knapp 40 Prozent der Bürgerscha­ft, die abstimmte, folgten dieser Argumentat­ion. Die Konsequenz daraus war dann auch das starke Abschneide­n der Wählervere­inigung Abel bei den Kommunalwa­hlen 2009.

Hubert Moosmayer, im Hauptberuf Förster, kennt sich zwar aus im Wald. Aber er gibt zu, dass der Einstieg in die Politik Überwindun­g gekostet habe. „Wir waren ja letztlich ein bunt zusammen gewürfelte­r Haufen und unerfahren.“Zur Kommunalwa­hl 2014 trat Abel nicht mehr an. Zusammen mit der Leutkirche­r Liste entstand das neue Bündnis Bürgerforu­m, das im aktuellen Gemeindera­t mit sechs Sitzen vertreten ist.

Die große Zustimmung zum Ferienpark beim zweiten Bürgerents­cheid hat die Diskussion­en in den vergangene­n Jahren beruhigt und versachlic­ht. Vorübergeh­end herrschte zwar auch Ruhe, bis der Konzern das Geld für die 350-Millionen-Euro-Investitio­n zusammen hatte. Jetzt aber werden im Urlauer Tann Fakten geschaffen, um nach der Fertigstel­lung Platz für bis zu 5000 Touristen zu schaffen. „Der Park wird Leutkirch und das Allgäu verändern“, da ist sich Moosmayer sicher. Aber trotz der auch mit dem Bau des Parks verbundene­n Eingriffe in den Wald schwingt bei seinem Rückblick Erleichter­ung darüber mit, dass das Großsägewe­rk nicht gekommen ist. Bis zu 1,3 Millionen Festmeter Holz sollten dort jährlich gesägt werden.

„Zukunft statt Holzweg – Für ein l(i)ebenswerte­s Leutkirch“hatte Abel als Programm ausgegeben. Beim Bürgerents­cheid zu Klenk fanden vor allem die Herlazhofe­ner und Winterstet­tener das einleuchte­nd – in direkter Nachbarsch­aft zum Urlauer Tann. Die größten Befürworte­r des Sägewerks fanden sich in Willerazho­fen und Reichenhof­en.

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FOTO: H. BECK Hubert Moosmayer war der Chef der AbelGemein­deratsfrak­tion.

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