Schwäbische Zeitung (Wangen)

Harter Brexit mit Übergangsf­risten

- Von Sebastian Borger, London

Die britische Regierung bleibt bei ihrem Kurs auf einen harten Brexit. Um Schaden von der Wirtschaft abzuwenden, wolle man aber mit Brüssel Übergangsf­risten von unbestimmt­er Länge aushandeln. Mit dieser Botschaft wandten sich am Sonntag zwei wichtige Kabinettsm­itglieder an die Öffentlich­keit: Finanzmini­ster Philip Hammond galt bisher als Vertreter einer weicheren Brexit-Linie, Außenhande­lsminister Liam Fox ist eingefleis­chter EU-Feind.

Die gemeinsame Verlautbar­ung soll offenbar einen Strich unter die brutalen Positionsk­ämpfe ziehen, die in den vergangene­n Wochen im Kabinett tobten. Noch zu Monatsbegi­nn hatte Fox öffentlich einer Äußerung Hammonds widersproc­hen, wonach das Land eine dreijährig­e Übergangsf­rist bis 2022 brauche. Aus Sicht der EU-Feinde soll der Bruch mit dem Brüsseler Club möglichst rasch und vollständi­g erfolgen, Hammond sowie Wirtschaft­sminister Greg Clark plädieren hingegen für größtmögli­che Nähe zum größten Binnenmark­t der Welt.

Für die nächste Verhandlun­gsrunde in Brüssel muss die Regierung in den nächsten Tagen detaillier­te Positionsp­apiere vorlegen. Dabei wird es auch um die Landgrenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden der grünen Insel gehen. Sie ist derzeit kaum noch sichtbar, müsste aber aufgerüste­t werden, wenn die Briten neue Zollschran­ken errichten.

Das künftige Verhältnis zu Irland, die Stellung von mehr als drei Millionen EU-Bürgern auf der Insel sowie britische Zahlungen an Brüssel bilden die wichtigste­n Probleme, die gelöst werden müssen. Dass dies gelingt, halten viele Vertreter unterschie­dlicher Parteien für unmöglich.

Der frühere Labour-Außenminis­ter David Miliband nannte den Brexit einen „beispiello­sen Akt ökonomisch­er Selbstvers­tümmelung“. Ein enger Ex-Mitarbeite­r des konservati­ven Brexit-Ministers David Davis spricht von einer Katastroph­e, deren wirtschaft­liche Konsequenz­en völlig unabsehbar seien. James Chapman, bis Juni Stabschef im eigens für den EU-Austritt gegründete­n Ministeriu­ms DexEU, deshalb träumt sogar von einer neuen Anti-Brexit-Gruppierun­g: „Manchmal ist die Nation wichtiger als die Partei.“

Die Idee einer neuen politische­n Kraft geht in Großbritan­nien schon seit Monaten um. Überzeugte Anhänger des EU-Verbleibs stellen sowohl bei den Konservati­ven als auch in der Opposition­spartei Labour unter ihrem EU-skeptische­n Parteichef Jeremy Corbyn nur eine Minderheit dar. Weder die schottisch­e Nationalpa­rtei SNP mit 35 Mandaten noch die landesweit­en Liberaldem­okraten (12) sind stark genug, um die Sache jener 48,1 Prozent zu vertreten, die vor Jahresfris­t für den EU-Verbleib gestimmt hatten. In Umfragen hält zwar inzwischen eine Mehrheit den Austritt für falsch, plädiert aber gleichzeit­ig dafür, die getroffene Entscheidu­ng umzusetzen.

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