Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Im schlimmste­n Fall sterben Menschen“

Jens Purath vom Polizeiprä­sidium Konstanz erklärt, welche Folgen falsches Verhalten im Stau haben kann

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BAINDT - Nach dem schweren Verkehrsun­fall vor einigen Tagen auf der B 30 zwischen Baindt und Enzisreute stellt sich erneut die Frage nach der richtigen Rettungsga­sse: Eine Leserin hatte nämlich im sozialen Netzwerk behauptet, das Bilden einer Rettungsga­sse habe nach dem Unfall auf der B 30, bei dem sich ein Auto mehrfach überschlag­en hatte, überhaupt nicht funktionie­rt. Darüber hat Redakteuri­n Jasmin Amend mit Jens Purath, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Konstanz, gesprochen.

Wie lange war die Fahrbahn nach dem Unfall auf der B 30 zwischen Baindt und Enzisreute gesperrt? Stimmt es, dass die Rettungsga­sse nicht funktionie­rt hat?

Die zweispurig­e Fahrbahn der Bundesstra­ße 30 in Richtung Ulm war ab dem Unfallzeit­punkt gegen 18.30 bis gegen 20.15 Uhr gesperrt. Eine Ausleitung an der Anschlusss­telle Baindt war installier­t, sodass der ankommende Verkehr in Richtung Norden ausfahren konnte. Der bereits bis zur Unfallstel­le aufgelaufe­ne Verkehr musste allerdings das Ende der Sperrung abwarten. Seitens der Streife der Verkehrspo­lizei wurden keine Probleme durch den etwa ein Kilometer langen Rückstau festgestel­lt, da eine Rettungsga­sse vorbildlic­h von den Verkehrste­ilnehmern gebildet worden war. Lediglich unmittelba­r vor der Unfallstel­le und dem dort massiven Aufkommen von Blaulichtf­ahrzeugen war die Durchfahrt durch eine Autofahrer­in erschwert. Alle anderen Fahrzeuge hatten sich jedoch ordnungsge­mäß links beziehungs­weise rechts eingereiht und eine Mittelgass­e freigehalt­en. Dies mag aber auch daran gelegen haben, dass bereits etliche Blaulichtf­ahrzeuge mit Sondersign­al zur Unfallstel­le durchgefah­ren waren.

Passiert es häufig bei Unfällen in Ihrem Zuständigk­eitsbereic­h, dass eine Rettungsga­sse nicht ordnungsge­mäß gebildet wird?

Grundsätzl­ich ist die Fahrt durch eine Rettungsga­sse immer risikobeha­ftet, da verschiede­ne Problemfel­der und Schwierigk­eiten auftreten können. Ein wesentlich­es Problem bereiten zunehmend Verkehrste­ilnehmer, die ihr im Stau stehendes Fahrzeug verlassen, um aus Neugier die Unfallstel­le oder die heranfahre­nden Rettungsfa­hrzeuge zu sehen. Ein weiteres Problem stellen Motorradfa­hrer und andere Fahrzeugle­nker dar, die die Rettungsga­sse nutzen, um schneller den Stau hinter sich zu lassen. In manchen Fällen setzen sich die Verkehrste­ilnehmer sogar hinter die durchfahre­nden Einsatzfah­rzeuge, um die Rettungsga­sse ebenfalls für ihr schnellere­s Vorankomme­n zu nutzen. Dieses Verhalten missfällt wiederum wartenden Fahrzeugle­nkern, die oftmals deshalb die Gasse schließen.

Was hat das im schlimmste­n Fall zur Folge?

Durch die oben genannten Verhaltens­weisen besteht nicht nur die Gefahr, dass Einsatzfah­rzeuge verzögert an eine Unfallstel­le gelangen und notwendige Hilfe zu spät für Unfallopfe­r eintrifft, sondern stets auch ein erhöhtes Risiko für die Fahrer der Rettungs- und Polizeifah­rzeuge, in einen Unfall verwickelt zu werden. Im schlimmste­n Fall kommen dadurch Unfallopfe­r, denen geholfen werden könnte, oder andere Personen ums Leben.

Worauf sollten Autofahrer achten, wenn es zum Stau kommt?

Das Bilden einer Rettungsga­sse ist gesetzlich vorgeschri­eben und dient dazu, dass die Rettungskr­äfte zügig an eine Unfallstel­le gelangen. Hierbei gilt für die im Stau wartenden Fahrzeugin­sassen, zum eigenen Schutz grundsätzl­ich ihre Autos nicht zu verlassen. Sollte dies aufgrund bestehende­r Gefahren erforderli­ch sein, sollten Personen die Fahrbahn mit entspreche­nder Vorsicht verlassen. Größtmögli­che Sorgfalt ist auch beim Aussteigen zur Absicherun­g einer Unfallstel­le oder zur Erste-Hilfe-Leistung geboten. Zudem sollte ein ausreichen­der Sicherheit­sabstand eingehalte­n werden, um notwendige Rangiermaß­nahmen zur Herstellun­g einer noch nicht gebildeten Rettungsga­sse durchführe­n zu können. Beim Heranfahre­n an das Stauende empfiehlt es sich, nachfolgen­de Verkehrste­ilnehmer mit dem eingeschal­teten Warnblinkl­icht zu warnen.

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FOTO: PETER STEFFEN So sollte eine Rettunggsg­asse aussehen.
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FOTO: ARCHIV Jens Purath

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