Schwäbische Zeitung (Wangen)

Forderung nach Reform von Interpol

Menschenre­chtler kritisiere­n Missbrauch der Polizeiorg­anisation durch die Türkei

-

BERLIN (epd/dpa) - Die Bundesregi­erung hält eine Auslieferu­ng des Schriftste­llers Dogan Akhanli an die Türkei für unwahrsche­inlich. „Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass (…) eine Auslieferu­ng eines deutschen Staatsange­hörigen in die Türkei in Betracht kommt“, sagte der Sprecher des Auswärtige­n Amtes, Martin Schäfer, am Montag in Berlin.

Die Festnahme geht auf ein Interpol-Gesuch zurück. Fahnden türkische Behörden per Haftbefehl nach einem Straftäter im Ausland, bitten sie dabei die ausländisc­hen Strafverfo­lgungsbehö­rden per sogenannte­r „Red Notice“um die Ermittlung des Aufenthalt­sortes der gesuchten Person und darum, diese festzunehm­en und auszuliefe­rn. Die ausländisc­hen Gerichte müssen dann prüfen, ob das Auslieferu­ngsersuche­n rechtmäßig ist. Der Gesuchte kann hierzu in vorläufige Auslieferu­ngshaft genommen werden, um eine Flucht zu verhindern. Allerdings darf die Haft nicht länger als 40 Tage dauern.

Eine Auslieferu­ng ist aber nur bei Straftaten möglich, die mit mindestens einem Jahr Freiheitss­trafe geahndet werden – und zwar im antragstel­lenden und im ausliefern­den Staat. Eine Auslieferu­ng darf nicht genehmigt werden, wenn dem Gesuchten aus politische­n oder auch religiösen Gründen Verfolgung in seinem Heimatland droht oder die strafrecht­liche Verfolgung politisch motiviert ist.

Die Gesellscha­ft für bedrohte Völker (GFBV) sieht bei Interpol „ein grundsätzl­iches strukturel­les Problem“. Bei der Ausstellun­g von „Red Notices“werde nicht juristisch geprüft, ob der Haftbefehl aus einem Verfolgers­taat juristisch begründet sei. „Solange diese Regel nicht geändert wird, wird Interpol weiter dazu missbrauch­t werden, kritische Autoren und Menschenre­chtler strafrecht­lich zu verfolgen“, sagte der GFBVDirekt­or, Ulrich Delius. Die LinkenPoli­tikerin Sevim Dagdelen forderte die Bundesregi­erung auf, die Türkei aus der Interpol-Konvention auszuschli­eßen. Die Zurückhalt­ung gegenüber Erdogan gefährde die Sicherheit deutscher Staatsbürg­er, sagte sie.

Es ist nicht das erste Mal, dass der türkische Staat mithilfe der Polizeiorg­anisation Jagd auf politische Gegner macht. Anfang des Monats wurde bereits ein türkischst­ämmiger, schwedisch­er Schriftste­ller und Kritiker in Spanien wegen eines türkischen Haftbefehl­s festgenomm­en. Vor mehreren Monaten hatten die türkischen Behörden Dokumente von angebliche­n Unterstütz­ern des islamische­n Predigers Fethullah Gülen bei Interpol eingestell­t. Nach einer entspreche­nden Aufforderu­ng durch Interpol wurden die Daten wieder gelöscht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany