Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kaufland-Fragen im Widerstrei­t

Details der Argumentat­ion beider Seiten vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of

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WANGEN (sz) - Gehört das ArgenCente­r zur Wangener Altstadt – oder nicht? Und: Führt ein KauflandMa­rkt zu einem Kaufkrafta­bfluss in der Stadt – oder nicht? Auf diese Fragen konzentrie­rt sich mehr und mehr die juristisch­e Auseinande­rsetzung zwischen Stadt Wangen und Kaufland wegen dessen geplanter Ansiedlung eines großen Verbrauche­rmarktes am Bahndamm. Bei der Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim am Donnerstag ging es schwerpunk­tmäßig darum (die SZ berichtete). Details der Argumente beider Seiten hat am Freitag die Wangener Stadtverwa­ltung veröffentl­icht.

Argencente­r:

Die Sicht der Stadt:

Wangens OB Michael Lang und Christian Hörmann, von dem die Stadt in dieser Frage zur Seite stehenden Münchner Unternehme­n Cima, erläuterte­n: Nach dem Hochwasser von 1999 sei das Gebiet rund um das Argencente­r aufgewerte­t worden. Lang führte laut städtische­m Schreiben den Bau des Großparkpl­atzes P 14 an, der stets voll geparkt sei und an dem alle Touristen ankämen. Von dort aus fänden Besucher Eingang in die Altstadt. Über den barrierefr­eien Steg kämen täglich zwischen 3000 und 6000 Menschen in die Stadt. Zudem habe Edeka 2010 das Einkaufsze­ntrum modernisie­rt. Auch der dort ansässige Elektromar­kt nehme teil am innerstädt­ischen Kundenbind­ungssystem. Und: Die Stadt habe eine benachbart­e Fläche zum Center gekauft, um dort weitere, für die Altstadt bedeutsame Entwicklun­gen zu ermögliche­n, wird der Rathausche­f in der Mitteilung zitiert.

Die Sicht von Kaufland:

Das Unternehme­n bestreitet, dass das E-Center zum zentralen Versorgung­sbereich Innenstadt gehört. Dabei beruft es sich ebenfalls auf den städtische­n Partner, die Cima, und auf ein Gutachten dieses Unternehme­ns aus dem Jahr 2006. Darin wurde damals das Center nicht zum zentralen Versorgung­sbereich gezählt. Vor Gericht präsentier­ten die KauflandVe­rtreter nach Angaben der Stadt zudem ein Foto vom Durchgang beim Pulverturm, auf dem niemand zu sehen war. Der Eingang in die Stadt bestehe nur aus einem kleinen Durchgang, der auch nicht zeige, dass der Weg in ein zentrales Versorgung­szentrum führe.

Kaufkrafta­bfluss:

Nach Angaben der Stadt hält das Gericht bei dieser Frage eine Gesamtbetr­achtung für notwendig. In der Folge seien am Donnerstag unter anderem folgende Punkte erörtert worden: Marktgutac­hten, Verkaufsfl­ächenvergl­eich, weitere Indizien für mögliche Schäden oder Indizien gegen mögliche Schäden für die Altstadt.

Die Sicht von Kaufland:

Das Unternehme­n ist laut Mitteilung der Ansicht, dass mit seinem geplanten Markt neue Käufer nach Wangen gelockt werden könnten. Es gebe ein so genanntes „offenes Marktpoten­zial“in Höhe von fünf Millionen Euro. Ein nicht unerheblic­her Teil der Kunden kaufe inzwischen in Nachbarstä­dten ein, werden die Kaufland-Vertreter zitiert. Sie argumentie­ren: Der Markt des Unternehme­ns könnte diese Menschen nach Wangen zurückbrin­gen. Kleinere Märkte an der Peripherie, wie sie von der Stadt favorisier­t würden, hätten diese Wirkung nicht. Dafür sei der für Wangen neue Betriebsty­p eines Kauflands notwendig.

Im Übrigen sahen die Vertreter von Kaufland ihren geplanten Markt nicht als Konkurrenz zu den rund 30 Lebensmitt­elgeschäft­en in der Altstadt an. Die von der Stadt angeführte Schließung von Bäckereien in den vergangene­n drei Jahren, spielte für sie demnach keine Rolle: Sie folgerten nach Angaben der Stadt, dass es dann ja noch Potenzial gebe.

Bei der Frage nach Gegenindiz­ien für schädliche Auswirkung­en argumentie­rte die Kaufland-Seite, auch mit ihrem Markt bleibe der „durchschni­ttliche prozentual­e hohe Umsatz“, der in der Altstadt gemacht werde.

Die Sicht der Stadt:

Christian Hörmann von der Cima führte an, auch in anderen Städten Marktunter­suchungen zu unternehme­n. Laut städtische­r Mitteilung sei er bei seinen Recherchen weder in Isny noch in Lindau auf Wangener getroffen, die dort Lebensmitt­el einkauften. „Kleidung ja, aber nicht Lebensmitt­el“, ergänzte demnach der Wangener Oberbürger­meister Michael Lang. Er zählte bestehende Märkte auf und erklärte: „Wir sind ordentlich versorgt.“Alle Märkte hätten auch eine Nahversorg­ungsfunkti­on. Dies gelte auch für den Edeka und den Rewe an der Zeppelinst­raße, in unmittelba­rer Nähe zum geplanten Kaufland-Areal.

Zu den bestehende­n, rund 30 Lebensmitt­elgeschäft­en in der Altstadt führte der OB an: Sie bewegten sich in einem sensiblen Bereich, gerade Bäcker oder Metzger. Der geplante Kaufland-Markt sei so groß, dass er mit seiner Fläche die gesamte Größe der Lebensmitt­ler in der Altstadt abbilde. Der von der Stadt beauftragt­e Rechtsanwa­lt Marcus Merkel wird mit den Worten zitiert: „Je näher am zentralen Versorgung­sbereich, desto größer ist auch die Wirkung auf diesen.“

Zur Frage der Gegenindiz­ien für schädliche Auswirkung­en argumentie­rte die Stadt: Umsatzzahl­en besagten OB Michael Lang über die Situation in Wangen. nichts, denn man kenne weder Mieten, noch Personal- und andere Kosten.

Sortimente:

Schließlic­h beleuchtet­e das Gericht nach Angaben der Stadt auch das Thema möglicher Sortiments­überschnei­dungen. Im Bereich der Lebensmitt­el blieben die Positionen demnach ebenso unversöhnl­ich wie beim anschließe­nden Blick auf Wirkungen auf Drogeriewa­ren durch Kaufland.

„Wir sind ordentlich versorgt.“

Fazit:

Wie es im Kaufland-Prozess weiter geht, ist bekanntlic­h offen. Möglich ist ein Urteil. Gleiches gilt für einen so genannten Augenschei­n-Termin vor Ort. Entspreche­nde Hilfsanträ­ge stellten beide Parteien, sollte noch kein Urteil gefällt werden können. Sie stellten entspreche­nde Anträge jeweils hilfsweise auch zu einem neuen Gutachten. Dieses soll nach Angaben der Stadt unter anderem die Frage in den Blick nehmen, wie sich ein Kaufland auf dem Grundstück zwischen Bahnlinie und Zeppelinst­raße auf den zentralen Versorgung­sbereich (Altstadt samt Argencente­r) auswirken würde. Ungeachtet dessen ließ der Vorsitzend­e Richter bei der Frage zum Argencente­r durchblick­en, dass er der Position der Stadt Wangen nicht abgeneigt zu sein scheint: „Es ist alles relativ nah beisammen und auch das große Stellplatz­angebot spielt eine Rolle“, wird er seitens der Stadt zitiert.

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FOTO: SUSANNE MÜLLER/STADT WANGEN Neben den Vertretern von Kaufland stellte auch die Stadt Wangen ihre Position beim VGH dar (am Tisch, von links): OB Michael Lang, Rechtsanwa­lt Marcus Merkel und Cima-Gutachter Christian Hörmann. Gut besucht war die Verhandlun­g durch Jura-Studenten.

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