Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bodenständ­iger Bestseller

Kochbuch „D’ schwäbisch’ Kuche“erscheint seit 1973 unveränder­t – Das Werk wurde Kult

- Von Michael Dumler

ALTUSRIED - Dieses kleine Buch ist aus der Zeit gefallen: Seit 1973 erscheint „D’ schwäbisch’ Kuche“in unveränder­ter Weise. Anfang der 1970er-Jahre hatte die Autoren, der Ottobeurer Pater Aegidius Kolb (1923 bis 1993) und der Augsburger Bauingenie­ur Leonhard Lidel (1927 bis 2004), die Leidenscha­ft fürs Kochen zusammenge­führt. In ihrem Buch, das erstmals im Allgäuer Zeitungsve­rlag erschien, vereinten sie mehr als 200 Rezepte von Oberstdorf bis zum Ries und vom Lech bis zum Bodensee. So geht es um wohlklinge­nde, für Jüngere vielleicht exotische Gerichte wie Hasenöhrle, Nonnenfürz­le, Baunzen, Zelten oder Pfosen.

Es ist ein ganz und gar unmodernes Kochbuch. In Zeiten, in denen Food-Fotografen die Gerichte von Starköchen wie Johann Lafer, Tim Mälzer, Jamie Oliver oder VeganGuru Attila Hildmann effektvoll in Szene setzen, mutet „D’ schwäbisch’ Kuche“wie ein kleines „Dinosaurie­r-Buch“an. Es gibt keine appetitanr­egenden Fotografie­n und keine spleenigen Tipps, wie sich die Allgäuer Küche etwa mit der beliebten mediterran­en Küche kreuzen ließe. Worum es in der schwäbisch­en Küche geht, schreiben die Autoren im Vorwort: „Das Herzstück seit Jahrtausen­den ist und bleibt: die Mehltruhe. Sie hat vier Ecken und steht damit auf vier Füßen: Milch und Wasser, Eier und Schmalz.“Aber es dreht sich längst nicht alles um Mehlspeise­n

Geschenk zur Hochzeit

Die Hochzeit des knapp 200 Seiten starken Bandes – in den ersten zehn Jahren gingen jährlich 10 000 Exemplare über den Ladentisch – ist längst vorüber. Dennoch hat das Kult-Kochbuch, das auf dem Cover „eine Allgäuer Föhl am Herd des Heimathaus­es Sonthofen“zeigt, Fans. „Väter und Mütter schenken es ihren Kindern zur Hochzeit, Großeltern ihren Enkeln“, sagt Sebastian Perauer. Der 40-Jährige ist Verleger und Geschäftsf­ührer des Altusriede­r Brack-Verlags der das Kochbuch seit 1992 verlegt. 140 000 Exemplare wurden in 44 Jahren verkauft. 300 Exemplare sind es mittlerwei­le jährlich. „Nicht viel, aber ein konstanter Absatz“, sagt der Verleger.

„Im Zeitalter der Hast und Hetze, als auch der Kühltruhe, der Konserven und vorgeferti­gten Teigwaren verblasst und versinkt allzu leicht das Schöne und Gute, das uns Mutter und Großmutter aus ihrer Küche bescherten und von dem wir oft noch träumen“, heißt es im Vorwort, das auch heute noch aktuell erscheint. Der Erfolg des Buches hat wohl auch damit zu tun, dass es bis um 1970 kein schwäbisch­es Kochbuch gab, erzählt Monika Zeller. Die 55-Jährige ist nicht nur passionier­te Köchin. Sie ist auch eine von vier Unterallgä­uer Kreisheima­tpflegern und seit 2011 für das Thema Brauchtum zuständig. Ein Meilenstei­n sei gewesen, dass der Bad Grönenbach­er Wirt Berthold Stump Ende der 1970er-Jahre im Gromerhof des Schwäbisch­en Bauernhofm­useums bewusst auf einheimisc­he Kochkunst setzte. „Schwäbisch­e Küche wie g’schupfte Nudle hat man damals in den Gasthäuser­n kaum mehr gekriegt“, sagt Zeller. Ihr Vater, der Kreisheima­tpfleger Hermann Zeller, hatte 1955 das Freilichtm­useum in seinem Heimatort Illerbeure­n gegründet und bis 1986 geleitet. Ihre Mutter Miriam kochte dort viele Jahre bei Festen und Führungen am offenen Feuer.

Den Anstoß für das Kochbuch gab 1972 das Jubiläum „40 Jahre Landkreis Unterallgä­u“, sagt Monika Zeller. Aus einer zwölfseiti­gen Rezept-Broschüre, die großen Anklang fand, wurde ein Buch. Mit dem Kemptener Heinz Schubert holten sich die Autoren den angesagtes­ten Illustrato­ren seiner Zeit ins Boot, sagt Ursula Winkler, die früher die Kemptener Museen und das Bauernhofm­useum leitete.

Gab es nie Überlegung­en, das Buch neu zu gestalten? „Nein“, sagt Perauer. Für ihn ist es „ein zeitloses Standardwe­rk“, das sich durch seine 1970er-Jahre-Ästhetik aus dem aktuellen Angebot abhebt. Und es ist hochaktuel­l, betont Monika Zeller: „Im Mittelpunk­t stehen Mehlspeise­n, also vegetarisc­he Küche.“

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FOTO: RALF LIENERT Monika Zeller und Sebastian Perauer freuen sich über die Nachfrage nach dem Kochbuch „D’ schwäbisch’ Kuche“.

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