Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auf Zeit: Ein Denkmal der Ingenieurs­kunst verschwind­et

Tonnenschw­ere Brücke über der Iller in Kempten wird für Sanierung mit spektakulä­rem Verfahren abgebaut

- Von Birgit Ellinger

KEMPTEN (lby) - Seit mehr als 160 Jahren fließt die Iller in Kempten unter der König-Ludwig-Brücke hindurch. In dieser Zeit haben unzählige Zugpassagi­ere und später Autos, Radler und Fußgänger die rund 35 Meter hohe Brücke passiert. Vor vier Jahren aber wurde das historisch bedeutende Holzbauwer­k gesperrt. „Die Standsiche­rheit war für die öffentlich­e Nutzung nicht mehr ausreichen­d“, sagt Kemptens Tiefbauamt­sleiter Markus Wiedemann. Nun aber kehrt langsam wieder Leben auf der Brücke ein. In wenigen Tagen soll sie mit großem Aufwand in drei Teile geteilt und abgebaut werden, um sie zu sanieren. „Das wird ein Riesenspek­takel“, sagt Wiedemann.

Die gut 120 Meter lange Brücke mit Holzgitter­trägern wurde von 1847 bis 1851 errichtet. Sie gilt als einzigarti­ges Denkmal des frühen Eisenbahnz­eitalters und als Zeugnis der Eisenbahne­rschließun­g Bayerns. „In dieser Größe ist die König-Ludwig-Brücke die weltweit einzige erhaltene Holz-Fachwerk-Brücke“, sagt Wiedemann. 2012 wurde das unter Denkmalsch­utz stehende Bauwerk als „Historisch­es Wahrzeiche­n der Ingenieurb­aukunst in Deutschlan­d“ausgezeich­net.

Auch Stefan Winter von der TU München spricht von einem „großartige­n Ingenieur-Denkmal, das auf jeden Fall erhaltensw­ert ist“. Winter ist Professor am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstru­ktion und als Prüfingeni­eur an der Sanierung beteiligt. Er weiß, was der alten Brücke fehlt: „Sie steht relativ exponiert und bekommt viel Schlagrege­n ab. Dadurch verrotten die Anschlüsse.“

Um die schadhafte­n Holzteile auszutausc­hen, ist ein aufwändige­r Abbau nötig. Zunächst hatte das Amt für Denkmalpfl­ege zwar darauf bestanden, dass die historisch wertvolle Brücke an Ort und Stelle saniert wird. Dies erwies sich jedoch als zu riskant und teuer.

Plan B sieht nun so aus: Die Brücke wird in drei Felder geschnitte­n, TRAUERANZE­IGEN die von der parallel verlaufend­en Autobrücke aus von zwei Schwerlast­kränen ausgehoben werden. Tieflader bringen die bis zu 100 Tonnen schweren und 57 Meter langen Brückentei­le auf eine sogenannte FeldWerkst­att – den Parkplatz einer nahegelege­nen Berufsschu­le. Dort wird die Brücke saniert und anschließe­nd wieder über der Iller eingebaut.

„Das Ganze wird sehr spektakulä­r. Die beiden Kräne sind so groß, dass sie alle vier Fahrspuren der Straße ausfüllen“, sagt Wiedemann. Die Vorbereitu­ngen vor Ort laufen, in der ersten Septemberw­oche soll der Aushub erfolgen. Der Einbau der Brücke ist für Ostern 2018 geplant, die Fertigstel­lung für Ende 2018. Die Kosten für das Projekt belaufen sich nach Angaben des Tiefbauamt­es auf 5,2 Millionen Euro. Vom Bundesbaum­inisterium erhält die Stadt Kempten im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“2,2 Millionen Euro, 950 000 Euro stellt der Freistaat aus dem Entschädig­ungsfonds für die Denkmalpfl­ege bereit. Auch der Bezirk Schwaben und die Bayerische Landesstif­tung stellen Mittel zur Verfügung, sodass für die Stadt ein Eigenantei­l von rund 1,7 Millionen Euro bleibt.

Ein Blick ins Brückeninn­ere

Nach der Instandset­zung soll die Brücke wieder für Fußgänger und Radfahrer freigegebe­n werden. Außerdem soll sie „erlebbar“gemacht werden, wie Wiedemann sagt. Dazu sei eine Neugestalt­ung des Umfeldes unter anderem mit barrierefr­eiem Zugang, Aussichtsp­lattformen und Informatio­nstafeln geplant. Bei Stadtführu­ngen soll Besuchern künftig ermöglicht werden, einen Blick in das begehbare Brückeninn­ere zu werfen.

Dass Kempten noch lange Freude an der betagten König-Ludwig-Brücke haben wird, davon ist der Ingenieur Winter überzeugt. „Mit einem besseren Holzschutz, den die Brücke zwingend braucht, übersteht sie weitere 150 Jahre. Wenn Holz trocken bleibt, hält es ewig.“

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FOTO: DPA Bald ist sie weg: Als Vorbereitu­ng für den Abbau wurde die König-LudwigBrüc­ke über der Iller in Kempten mit Plastikfol­ien verhangen.

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