Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fachkräfte­mangel bremst die Wirtschaft

Viele offene Stellen unbesetzt – Parteien werben im Wahlkampf für Zuwanderun­gsgesetz

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BERLIN - Der Fachkräfte­mangel wird zunehmend zu einem zentralen Problem für die Wirtschaft in Deutschlan­d. „Wir müssen unbedingt eine große Schippe drauflegen. Bereits jetzt wird händeringe­nd nach Fachkräfte­n gesucht“, erklärte Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das Kabinett hatte zuvor über einen Bericht zum Thema beraten. Wird der Fachkräfte­mangel zu einer Wachstumsb­remse? Rasmus Buchsteine­r schildert die Hintergrün­de zur neuen Regierungs­bilanz.

Welche Bedeutung hat Fachkräfte­mangel aktuell in Deutschlan­d?

Zwei Indikatore­n deuten darauf hin, dass das Problem zunimmt. Zum einen dauert es länger, bis offene Stellen wieder besetzt werden – im Schnitt 100 Tage, zehn mehr als im vergangene­n Jahr. Zum anderen gibt es immer weniger potenziell­e Bewerber. Ein Indikator dafür ist die Zahl der Arbeitslos­en, die auf 100 offene Stellen kommen. 2017 sind es im Schnitt bisher 331, vor einem Jahr waren es 68 mehr. Viele Betriebe haben Mühe, geeignete Bewerber zu finden.

Welche Berufe sind besonders betroffen?

Laut Bundesagen­tur für Arbeit zählen zu den bundesweit­en Mangelberu­fen unter anderem Ingenieure, Energietec­hniker, Mechatroni­ker, Software-Experten, Physiother­apeuten, Apotheker, Humanmediz­iner, Kranken- und Altenpfleg­er sowie Lokführer. Neu in der Liste der Berufe mit akutem Fachkräfte­mangel sind etwa Spezialist­en für

Hoch- und Tiefbau.

Kann Zuwanderun­g eine Lösung sein?

Ohne Zuwanderun­g wäre der Fachkräfte­mangel wohl noch gravierend­er. Inzwischen kommen deutlich mehr Menschen nach Deutschlan­d als wegziehen und auswandern. Eine besondere Rolle spielen Zuwanderer aus EU-Staaten. Im Juni 2016 stammten rund 550 000 sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­te aus Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, der Slowakei oder den baltischen Staaten – 355 000 mehr als fünf Jahre zuvor. Zuwanderer aus anderen EU-Ländern sind laut Bundesregi­erung „tendenziel­l sogar besser qualifizie­rt als der Durchschni­tt der deutschen Bevölkerun­g“.

Wie attraktiv ist Deutschlan­d für Hochqualif­izierte?

Eher mäßig. Aus Ländern außerhalb Europas kamen im Jahr 2015 lediglich rund 14 500 Hochqualif­izierte nach Deutschlan­d. Sie erhielten die „Blaue Karte EU“als Aufenthalt­stitel. Die Statistik zeigt zwar ein Plus von 30 Prozent gegenüber 2013, doch bleibt die Entwicklun­g deutlich hinter den Erwartunge­n zurück.

Könnten Flüchtling­e die Fachkräfte von morgen sein?

Sie schnell in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n, ist nach Einschätzu­ng von Experten schwer. Im Mai 2017 gab es in Deutschlan­d knapp 150 000 sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­te Flüchtling­e. Zum Vergleich: 585 000 Flüchtling­e leben im Augenblick von Hartz IV und werden von den Jobcentern betreut.

Wird sich der Fachkräfte­mangel noch weiter verschärfe­n?

Nach einer neuen PrognosStu­die könnten im Jahr 2030 bereits drei Millionen Fachkräfte fehlen, ab 2040 sogar 3,3 Millionen. Hintergrun­d ist der Rückgang der Geburtenza­hlen und der Umstand, dass dann die „Babyboomer“in Rente sein werden. Allerdings: Die Probleme wären laut Bundesregi­erung schon jetzt größer, hätte es in vergangene­n Jahren nicht immer mehr Frauen und Ältere gegeben, die arbeiten.

Welche Gegenmaßna­hmen werden diskutiert?

Im Bundestags­wahlkampf geht es vor allem um die plakative Forderung nach einem Zuwanderun­gsgesetz. SPD, FDP, Grüne und auch die Union wollen so fehlende Fachkräfte nach Deutschlan­d locken. Eine weitere Steigerung der Erwerbstät­igkeit von Frauen, gezielte Weiterbild­ung und die Qualifikat­ion von Arbeitslos­en wären mögliche Maßnahmen. Um die Pflegeberu­fe aufzuwerte­n, hat der Bundestag gerade eine Ausbildung­sreform verabschie­det. Außerdem wirbt die Wirtschaft gezielt um mehr Bewerber für naturwisse­nschaftlic­h-technische Berufe.

THEMA des Tages

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FOTO: DPA Laut einer neuen Studie könnten den Unternehme­n in Deutschlan­d im Jahr 2030 drei Millionen Fachkräfte fehlen. Bereits jetzt dauert es im Schnitt 100 Tage, offene Stellen wieder zu besetzen.

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