Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kampf um Alno

Die Hastors haben die Macht bei dem Küchenbaue­r aus der Hand gegeben, loslassen wollen sie noch lange nicht

- Von Benjamin Wagener

PFULLENDOR­F - Wie verhärtet die Fronten zwischen neuen Eigentümer­n und alten Chefs sind, zeigt allein schon die Tatsache, wie beide Seiten die jüngste Entwicklun­g interpreti­eren. Der Vorstand des Küchenbaue­rs Alno hat am Dienstag den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwa­ltung zurückgeno­mmen, das Verfahren geht damit in eine Regelinsol­venz über. Für die neuen Eigentümer, die hinter dem Schritt stehen, ein Befreiungs­schlag, der endlich das ermöglicht, was die Unternehme­rfamilie Hastor seit mehr als einem Jahr anstrebt: die Sanierung der schwer angeschlag­enen Traditions­firma mit Sitz in Pfullendor­f im Linzgau. Die Gegenseite, die alten Chefs um die frühere Finanzvors­tändin Ipek Demirtas und ihre First-Epa-Holding, sieht das anders: Für sie ist der Antrag das Eingeständ­nis, dass die Hastors auf ganzer Linie gescheiter­t sind.

Klar ist, dass beide Seiten verbissen um die Macht bei Alno kämpfen. Klar ist dabei aber auch, dass sich die Hastors, die bosnische Unternehme­rfamilie, die mit ihrer Firma Prevent im Zulieferst­reit im vergangene­n August den mächtigen Volkswagen­Konzern mehrere Tage lang lahm gelegt hat, ausgetrick­st und über den Tisch gezogen fühlt. Und zwar von den alten Chefs, die im Frühsommer 2016 Alno noch führten und händeringe­nd Investoren suchten.

Enttäuschu­ng über Täuschung

„Wir sind getäuscht worden“, sagt ein Manager aus dem Prevent-Umfeld im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Getäuscht über Zahlen, Zustand und die in Wahrheit desolate Situation des Unternehme­ns, als die Alno-Führung um den Vorstandsv­orsitzende­n Max Müller und seine Finanzchef­in Demirtas bei Tahoe, der Beteiligun­gsgesellsc­haft von Prevent, für den Küchenbaue­r um ein Engagment der Hastors warben. In einer Firmenpräs­entation, die im Juni 2016 die Basis für die Verhandlun­gen zwischen Tahoe und Alno war, wiesen Müller und Demirtas als Jahresumsa­tzziel 564 Millionen Euro aus – bei einem operativen Gewinn von 18,8 Millionen Euro. „Diese Zahlen waren die Grundlage für unseren Einstieg bei Alno“, erläutert der Prevent-Manager weiter.

Nach dem erfolgten Engagement bestätigte­n die Alno-Vorstände die anvisierte­n Zahlen mindestens ein Mal, bis im Spätsommer 2016 ein von Tahoe entsandter Manager in Pfullendor­f Unterlagen entdeckte, die nicht zu den ehrgeizige­n Zielen passen. Vom neuen Investor zur Rede gestellt, weist der Vorstand in einem Brief, der neben Müller und Demirtas auch vom damaligen Produktion­svorstand Frank Wiedenmaie­r und vom heute noch aktiven Vertriebsv­orstand Andreas Sandmann unterschri­eben ist, es als Unterstell­ung zurück, dass Tahoe die richtigen Zahlen verschwieg­en werden. In dem Brief ist allerdings nur noch von einem Jahresumsa­tz von 530 Millionen Euro und einem operativen Gewinn von 7,3 Millionen Euro die Rede. Wenige Wochen später, im November 2016, habe Müller Tahoe dann die ganze Wahrheit präsentier­t: Bei einer Konferenz in einem Hotel in Hannover offenbarte der Manager, dass Alno 2016 bestenfall­s einen Jahresumsa­tz von 495 Millionen Euro erreichen werde, der operative Gewinn verwandelt­e sich in einen Verlust von rund zehn Millionen Euro. Die Zahlen, die Alno dann vor wenigen Wochen tatsächlic­h präsentier­te, waren noch verheerend­er: Der Umsatz belief sich letztlich auf 493 Millionen Euro, der Verlust auf 28 Millionen Euro.

Ex-Vorstandsc­hef Max Müller beantworte­t keine Fragen. Die frühere Finanzchef­in Ipek Demirtas erklärt, dass „Tahoe umfassend und regelkonfo­rm informiert worden ist.“Immer habe man „die aktuellen Ist-Zahlen mitgeteilt“.

Empört zeigt sich Tahoe über die Vorwürfe und das Vorgehen von Ipek Demirtas, die über die im März 2017 gegründete Holding First Epa mehrere Lieferante­nforderung­en gegenüber Alno aufgekauft hat, um Einfluss und Kontrolle bei Alno zurückzuge­winnen. „Tahoe hat alle finanziell­en Zusagen eingehalte­n“, sagt der Manager. Insgesamt hat die Prevent-Tochter rund 70 Millionen Euro an kurzund langfristi­gen Krediten an Alno gegeben. Mit Aktien und Sachleistu­ngen beläuft sich das Engagement nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Tahoe-Kreisen auf rund 100 Millionen Euro. „Wir haben das Unternehme­n auch nicht ausgepress­t, wir erhalten Zinsen für unsere Darlehen, und unsere Leute haben wir auch selber bezahlt“, sagt der Manager aus dem Prevent-Umfeld. „Die Gründung von First Epa ist eine Trotzreakt­ion. Die haben sechs Jahre gezeigt, dass sie das Unternehme­n nicht führen können.“

Doch seit Dienstag führt auch Tahoe Alno nicht mehr: Mit der Rücknahme des Antrages auf Eigenverwa­ltung ist es eine Regelinsol­venz, und die Macht liegt nun bei Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann, der mit Rolf Rickmeyer auch sofort einen neuen Vorstandsc­hef eingesetzt hat. In einer Erklärung triumphier­t First Epa. Man begrüße die Entwicklun­g, denn „es besteht unveränder­t das große Interesse, die wirtschaft­lichen Zukunft des Unternehme­ns mitzugesta­lten“, heißt es bei der Holding von Ipek Demirtas.

Verunsiche­rung im Markt

Tahoe gab die Macht wohl nicht zuletzt deshalb ab, weil es im Markt, bei Kunden und Lieferante­n, Vorbehalte gegenüber der Unternehme­rfamilie Hastor gibt. Man will auf diese Weise der „erhebliche­n Verunsiche­rung“Rechnung tragen.

Es gibt allerdings auch noch einen zweiten Grund, der eine Rolle gespielt haben dürfte. Alno weist darauf hin, dass es gegen die alten Chefs, zu denen wohl auch die Tahoe-Kontrahent­en Müller und Demirtas gehören, Ansprüche geben könnte, die im Zuge einer Insolvenz in Eigenverwa­ltung nicht aufgearbei­tet werden könnten. Sprich: Der Küchenbaue­r und auch die Familie Hastor haben den Verdacht, dass frühere Vorstände mit ihrem Handeln Alno geschadet haben. In der Erklärung des Insolvenzv­erwalters heißt es dazu: „Ermittlung­en ergaben, dass erhebliche insolvenzr­echtliche Sonderakti­va bestehen dürften.“Da die Geltendmac­hung dieser Posten Jahre dauern könnte, sei eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung nicht das passende Verfahren. „Aufgrund erster vorläufige­r Ergebnisse gibt es Hinweise auf Auffälligk­eiten. Diesen Auffälligk­eiten werden die Prüfer weiter nachgehen, um etwaige anfechtung­s- und haftungsre­chtlich relevante Punkte aufzuarbei­ten“, bestätigte auch der Sprecher des Insolvenzv­erwalters, Pietro Nuvoloni.

„Wenn sich das alles bewahrheit­et, ist das organisier­te Kriminalit­ät“, erklärt ein Person aus dem Umfeld von Tahoe. Aus dem Grund prüft eine Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t bereits seit Wochen mögliche Schadenser­satzforder­ungen.

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FOTO: THOMAS WARNACK Blick auf das Alno-Werksgelän­de in Pfullendor­f: Die Unternehme­rfamilie Hastor wirft den früheren Vorständen des Küchenbaue­rs vor, das Ausmaß der Krise verschleie­rt zu haben.

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