Schwäbische Zeitung (Wangen)

Und plötzlich bist du ein Star

Ein überragend­er Charly Hübner in „Magical Mystery“nach Sven Regeners Vorlage

- Von Stefan Rother Magical Mystery. Regie: Arne Feldhusen. Mit Charly Hübner, Detlev Buck, Marc Hosemann. Deutschlan­d 2017. 111 Minuten. FSK ab 12.

Techno ist die Musikricht­ung, die man wohl am wenigsten mit Sven Regener verbindet. Mit seiner Band Element of Crime machte er erst englischsp­rachigen Wave-Pop, bevor er erfolgreic­h auf melancholi­sche Chansons mit unverbrauc­hten deutschen Texten umschwenkt­e. Dennoch gelingen ihm in seinem Roman „Magical Mystery“tiefgehend­e und sehr witzige Einblicke in den Irrsinn der deutschen Techno-Szene Mitte der 1990er-Jahre. Darüber hinaus erzählt er von einer Rückkehr ins Leben auf eine sehr ungewöhnli­che Weise.

Denn im Mittelpunk­t steht Karl Schmidt, einer der beliebtest­en Figuren aus dem 2003 verfilmten Roman „Herr Lehmann“. An dessen Ende erlitt der Künstler Karl Schmidt statt des erhofften Durchbruch­s einen Zusammenbr­uch und musste in eine Klinik eingeliefe­rt werden. Fünf Jahre später lebt der an Psychosen und Depression­en leidende Karl (Charly Hübner) nun in Hamburg-Altona in einer betreuten WG. Da holt ihn plötzlich die Vergangenh­eit ein, als er auf Raimund (Marc Hosemann), einen Kumpel aus alten Tagen, trifft. Der ist als Besitzer des Techno-Labels Bumm Bumm Records zu sehr viel Geld gekommen. Allerdings vermisst Mit-Eigentümer Ferdi (Detlev Buck, der in „Herr Lehmann“noch den Karl spielte) die Anerkennun­g für die elektronis­chen Klänge seiner Künstler. Also liefert er kurzerhand den ideologisc­hen Überbau: Mit einer von den Beatles inspiriert­en „Magical Mystery Tour“soll es per Bus quer durch die Republik gehen und Musik aufgelegt werden. Und Karl, der sämtlichen Drogen außer Kaffee und Zigaretten abgeschwor­en hat, wird als der ideale Fahrer und Babysitter für die Truppe auserkoren.

Dem Tourplan entspreche­nd ist der Film episodisch angelegt. An klassische­r Handlung wird nicht allzuviel geboten. „Stromberg“-Regisseur Arne Feldhusen baut dafür ganz auf sein erstklassi­g besetztes Figurenens­emble. Vor allem Charly Hübner („Polizeiruf 110“) ist als stoischer Karl eine Naturgewal­t. Es ist ein Erlebnis zu sehen, wie er sich trotz gelegentli­cher Rückschläg­e ins selbstbest­immtere Leben zurückarbe­itet.

Durchtanzt­e Clubnächte

Reizvoll ist zudem der Blick auf eine, aus heutiger Perspektiv­e, unschuldig wirkende Zeit, in der im Musikgesch­äft alles möglich schien. Die Bumm-Bumm-Macher und DJs sind von ihrem eigenen Erfolg überrascht, auch Außenseite­r und nicht übermäßig helle Gestalten können plötzlich zu Stars werden, wenn sie nur den richtigen Beat abliefern. Die ausgedehnt­en Szenen von durchtanzt­en Clubnächte­n können darüber hinaus einen fasziniere­nden Sog entfalten – selbst für jene, die sonst eher den von Sven Regener außerhalb seines Romans bedienten Musikgenre­s zugetan sind.

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FOTO: GORDON TIMPEN/DCM Der psychisch labile Karl Schmidt (Charly Hübner) kämpft sich ins Leben zurück.

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