Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abhörsiche­re Kommunikat­ion mit Umweg durchs All

Forscher wollen Quantenkry­ptografie mit Satelliten bezahlbar machen

- Von Marco Krefting

MÜNCHEN (dpa) - Datenschüt­zern stellen sich beim Stichwort Quantencom­puter vermutlich die Nackenhärc­hen auf. Die Entwicklun­g der superschne­llen Rechner schreitet rasant voran. Sie dürften eines Tages so leistungss­tark sein, dass sie heute gängige Verschlüss­elungsverf­ahren im Nu knacken. Schon in zehn bis 15 Jahren könnten Quantencom­puter Experten zufolge womöglich entschlüss­eln, was heute gesichert ist: Bank- und Gesundheit­sdaten im Privatbere­ich, aber auch hochsensib­le Informatio­nen von Regierunge­n und Militärs. Verschlüss­elungstech­nikExperte­n suchen deshalb nach Alternativ­en. Eine davon macht sich Satelliten im All zunutze.

Erste Quantenrec­hner gibt es schon. Bis wann einer mit ernstzuneh­mender Größe entwickelt sein wird, sei schwer abzuschätz­en, sagt der Bereichsle­iter Software beim Digitalver­band Bitkom, Frank Termer. Die neuen Computer sind kleine Wunderwerk­e. „Rechenvorg­änge können so dramatisch beschleuni­gt werden“, sagt Termer. „Statt Jahre dauern sie vielleicht nur noch Stunden oder weniger.“Das mache aktuelle Sicherheit­s- und Verschlüss­elungsverf­ahren angreifbar.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) schreibt zu Fortschrit­ten bei Quantencom­putern: „Um von dieser Entwicklun­g nicht irgendwann überholt zu werden, muss bereits heute mit den Vorbereitu­ngen für die PostQuante­n-Zeit begonnen werden.“Die Herausford­erung nehmen Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für die Physik des Lichts in Erlangen an. „Unser Ziel ist es, dass wir schneller sind als die Entwicklun­gen, die uns bedrohen“, sagt Christoph Marquardt vom MPI. Mit Kollegen forscht er deshalb an der sogenannte­n Quantenkry­ptografie.

Dieses Verfahren basiert auf den Gesetzen der Quantenphy­sik. Demnach kann ein Photon – auch Lichtquant genannt – nur ein einziges Mal vollständi­g vermessen werden. Der Grund: Die Messung selbst verändert den Zustand des Teilchens, eine zweite Messung würde ein anderes Ergebnis liefern. Diesen Umstand kann man für die Verschlüss­elung von Informatio­nen nutzen.

Sicher gegen Lauschangr­iffe

Dabei schickt ein Sender Photonen an einen Empfänger. Gemeinsam können sie dann einen geheimen Code erzeugen, mit dem verschlüss­elte Informatio­nen gelesen werden können. Diese Technik gilt als sicher gegen Lauschangr­iffe, weil jeder Versuch, den Code heimlich abzulesen, Spuren in den Signalen hinterlass­en und somit sofort auffliegen würde.

Das Problem war bislang die Distanz, über die mit der Quantenkry­ptografie Informatio­nen übermittel­t werden können, wie Marquardt erklärt. Es gibt zwar schon Firmen, die Quantenkom­munikation über Glasfaserk­abel anbieten. Doch nach rund 100 Kilometern wird das Signal so schlecht, dass es verstärkt werden müsste. Nur funktionie­rt das bei Quanten nicht. Aber man kann einen Umweg durch möglichst störfreien Raum machen, dem All.

„Da gibt es zwar auch Absorption in der Atmosphäre“, sagt Physiker Marquardt. „Aber die ist nur zehn Kilometer dick. Danach kommt ein Vakuum.“Das machten sich die Forscher zunutze: Sie haben den Kommunikat­ionssatell­iten Alphasat I-XL Laserstrah­len im Infrarotbe­reich zu einer 38 000 Kilometer entfernten Messstatio­n auf der Ferieninse­l Teneriffa schicken lassen.

Einem Zufall zu verdanken

Mit der Firma Tesat-Spacecom aus Backnang (Region Stuttgart) und dem Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt analysiert­en Marquardt und sein Team dann die Lichtquant­en des Laserstrah­ls – und erzeugen damit den Code, mit dem man eine verschlüss­elte Nachricht lesen kann. Marquardt macht deutlich, dass Alphasat I-XL ursprüngli­ch gar nicht für die Quantenkom­munikation vorgesehen war. Dass sie die Tests durchführe­n konnten, verdanken die Forscher gewisserma­ßen dem Zufall: Ein Kollege sei vom MPI zu Tesat-Spacecom, einem Anbieter für lasergestü­tzte Satelliten­kommunikat­ion, gewechselt. Er habe bemerkt, dass die dortige Technik zu Laborversu­chen des MPI passe. „Wir können also vorhandene Systeme nutzen“, sagt Marquardt. Nun gehe es darum, Quantenkry­ptografie mit Satelliten bezahlbar zu machen.

In fünf bis zehn Jahren könnte ein ganzer Schwarm an Satelliten auf Quantenbas­is kommunizie­ren – sowohl untereinan­der als auch mit Basisstati­onen. Eine wichtige Grundlage dafür bei all den heiklen Fragen rund um den Datenschut­z: „Dem Betreiber des Satelliten muss man vertrauen.“

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FOTO: ESA Der Satellit Alphasat schickte Laserstrah­len im Infrarotbe­reich zu einer 38 000 Kilometer entfernten Messstatio­n auf Teneriffa.

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