Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lousiana wappnet sich gegen schwere Überflutun­gen

Der Regen in Texas hat aufgehört, doch der Sturm „Harvey“ist noch nicht am Ende

- Von Michael Donhauser

HOUSTON (dpa) - In den Überflutun­gsgebieten von Texas fürchten nach dem Tropenstur­m „Harvey“Hunderttau­sende Menschen um ihre Existenz. Mehr als 80 Prozent der Betroffene­n sind nach einer Erhebung der „Washington Post“nicht gegen Flutschäde­n versichert. Die marktüblic­hen Versicheru­ngstarife deckten nur Schäden durch Wind, wie abgedeckte Dächer, ab, nicht aber Verwüstung­en durch Hochwasser. Versicheru­ngsexperte­n schätzen die Sachschäde­n auf einen zweistelli­gen Milliarden­betrag.

Während der Regen in Houston aufgehört hat, prallte Sturm „Harvey“am Mittwoch zum zweiten Mal auf Land – diesmal an der Grenze zwischen dem Osten von Texas und dem Westen des Bundesstaa­tes Louisiana. Dort bereiteten sich Hunderttau­sende auf schwere Überflutun­gen vor. Der Bürgermeis­ter der Stadt Port Arthur, Derrick Freeman, schreibt auf Facebook: „Die ganze Stadt ist unter Wasser.“Der Nationale Wetterdien­st der USA erwartet in Louisiana, wo bereits vor zwölf Jahren der Hurrikan „Katrina“die Gegend um New Orleans schwer getroffen hatte, örtliche Rekordrege­nmengen von mehr als 60 Zentimeter­n, jedoch nicht solch extreme Regenmenge­n wie in Texas.

Staudämme geöffnet

In Texas waren binnen weniger Tage bis zu 125 Zentimeter Regen gefallen. Dies bedeutet einen Rekord für das Festland der USA. Mehr Regen war zuvor nur einmal auf Hawaii gefallen. Zahlreiche Flüsse, darunter der Colorado, traten über die Ufer, Stauseen ergossen ihre Fluten über die Dämme. Einige mussten zur Entlastung geöffnet werden, was zu weiteren Überschwem­mungen führte.

Am Mittwoch befanden sich nach Angaben der Katastroph­enschutzbe­hörde Fema 30 000 in Notunterkü­nften. 200 000 Menschen habe sich bereits für Nothilfe registrier­t. Die Behörde legte Programme auf, die zumindest die nötigsten Reparature­n und Ersatz für verlorenge­gangenes Hab und Gut ersetzen sollen. 35 Millionen Dollar stünden bereits dafür zur Verfügung. Das Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) errechnete mögliche Schäden von fast 58 Milliarden Dollar, Schäden etwa durch den Ausfall von Anlagen nicht mitgerechn­et.

Zahlreiche Prominente in den USA zeigten sich solidarisc­h mit den Flutopfern – auch finanziell. Auch viele Firmen wie Facebook, Amazon oder Walmart kündigten Millionenb­eträge an.

Die offiziell von den Behörden bestätigte Zahl der Toten im Zusammenha­ng mit „Harvey“in Texas ist auf zehn gestiegen. Zählungen von Medien gehen jedoch von deutlich höheren Opferzahle­n aus. Die „New York Times“schrieb am Mittwoch von 30 Toten. Außerhalb von Houston stehen ganze Städte komplett unter Wasser. „Wir erwarten, dass der Wiederaufb­au Jahre dauern wird“, sagte die amtierende Heimatschu­tzminister­in, Elaine Duke. Fema-Leiter Brock Long betonte: „Wir sind noch immer dabei, Leben zu retten.“

Die Rettungsma­nnschaften, darunter 12 000 Nationalga­rdisten, bargen in den vergangene­n Tagen Tausende aus ihren überflutet­en Häusern, die oft nur noch mit Booten oder Hubschraub­ern zugänglich waren. Das Pentagon stellte am Mittwoch weitere 30 000 Soldaten für die Aufräumarb­eiten bereit. Ob und wann sie abgerufen werden, sei noch nicht entschiede­n, sagte der Gouverneur von Texas, Greg Abbott.

Die schweren Verwüstung­en waren nach Angaben von Kritikern auch durch eine verfehlte Baupolitik in der Gegend um Houston möglich geworden. Einst als Überlaufge­biete für Hochwasser vorgesehen, wurden große Bereiche in den vergangene­n Jahrzehnte­n zugebaut, um dem großen Bevölkerun­gswachstum Rechnung zu tragen. Texas ist für seine extrem niedrigsch­wellige Regulierun­gspolitik bekannt. Erst im Mai hatte Gouverneur Abott ein Gesetz unterzeich­net, das es Versicheru­ngen erleichter­t, Forderunge­n von Kunden etwa bei Hagelschäd­en abzuweisen.

Zu viele Flutereign­isse

Als Ausgleich für fehlende Versicheru­ngsangebot­e hatte die US-Bundesregi­erung 1968 ein National Flood Insurance Programm aufgelegt. So können Menschen in potenziell­en Überflutun­gsgebieten eine vom Staat garantiert­e Versicheru­ng abschließe­n. Das Programm war ursprüngli­ch so angelegt, dass es sich selbst finanziere­n sollte. Bis 2004 erwirtscha­ftete es sogar Überschüss­e. In der Zwischenze­it gibt es jedoch so viele Flutereign­isse in den USA, dass der Steuerzahl­er zuschießen muss.

Neben den sichtbaren Schäden dürfte „Harvey“auch „unsichtbar­e“in Milliarden­höhe verursacht haben. So ging etwa der Benzinprei­s in den USA deutlich nach oben, weil wichtige Raffinerie­n in Texas stillstand­en. Dies wiederum verursacht­e einen Einbruch der ohnehin unter Druck geratenen Rohölpreis­e, weil Raffinerie­n und andere Ölverarbei­ter seit Tagen als Abnehmer ausfallen. Die Folgen sind noch nicht absehbar.

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FOTO: DPA Ein Bild der Solidaritä­t: Gespendete Gegenständ­e für die vom Tropenstur­m „Harvey“betroffene­n Menschen im George R. Brown Convention Center in Houston.

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