Schwäbische Zeitung (Wangen)

Autofahrer­in zahlt 20 Euro Lehrgeld an vermeintli­che „Benzinbett­ler“

Mutmaßlich­er Betrugsver­such zwischen Hergatz und Wangen – Polizei rät zur Vorsicht – Masche kommt gehäuft vor

- Von Jan Scharpenbe­rg

WANGEN - Vermeintli­che Trickbetrü­ger haben am Montagmitt­ag in Wangen eine junge Frau um 20 Euro erleichter­t. Aufgrund der genutzten Masche lassen sich die mutmaßlich­en Betrüger als so genannte „Benzinbett­ler“bezeichnen.

Auf Parkplätze­n entlang von Straßen oder Rastplätze­n täuschen diese Personen einen Notfall vor und versuchen Geld für angeblich benötigtes Benzin zu erbetteln. „Wenn jemand unter Vorspiegel­ung von falschen Tatsachen versucht, sich einen Vermögensv­orteil zu verschaffe­n, dann reden wir eben von Betrug“, erklärt Hauptkommi­ssar Jens Purath vom Polizeiprä­sidium Konstanz. Diese Fälle sind in den vergangene­n Jahren in Baden-Württember­g vermehrt aufgetrete­n. Am selben Montag war ein weiterer „Benzinbett­ler“in Wolpertswe­nde gemeldet worden. Wie aus einem Polizeiber­icht hervorgeht, war der Mann vor dem Eintreffen der Polizei bereits verschwund­en.

Diana Meier war am Montag gegen halb eins auf der B 32 unterwegs zur Arbeit. An einer Parkbucht zwischen Hergatz und Wangen sei ihr ein Mann aufgefalle­n, der mit einem Stadtplan in der Hand winkte. „Da denkt man ja erst einmal, dass da etwas passiert ist, und fährt raus, um zu helfen“, erzählt Diana Meier.

Da befinde sich auch die Polizei mit ihren Ratschläge­n in einem schwierige­n Spannungsf­eld, sagt Jens Purath. „Auf der einen Seite steht der ehrenwerte soziale Gedanke der Hilfestell­ung, aber auf der anderen Seite müssen wir jedem raten, immer ein gesundes Misstrauen gegenüber Fremden im Hinterkopf zu behalten.“

Geld für Diesel

„Der Mann ist dann gleich ans Beifahrerf­enster gekommen, hat auf Englisch gefragt, ob ich englisch spreche und dann gleich hinterher gefragt, ob ich ihm Geld für Diesel geben könne“, schildert Diana Meier das weitere Geschehen. Es sei ein Notfall, und er müsse nach Hause. Da habe sie gleich ein komisches Gefühl bekommen.

„Wenn man so etwas feststellt, dann kann man auch den Notruf wählen, um das umgehend mitzuteile­n“, gibt Jens Purath als Tipp. Die Polizei habe dann noch die Möglichkei­t die Täter anzutreffe­n und strafrecht­liches Verhalten festzustel­len. Den Betrügern nachzuweis­en, dass es sich nicht um einen Notfall handele, sei nämlich sehr schwierig.

„Am Besten geht das, wenn wir feststelle­n können, dass es sich immer wieder um die gleichen Personen handelt“, sagt Hauptkommi­ssar Purath. Es sei schließlic­h kein Zufall mehr, wenn wiederholt die gleiche Person an unterschie­dlichen Orten ohne Sprit landet.

Diana Meier erzählt weiter: Der Mann habe beteuert, dass sie das Geld auf jeden Fall zurückbeko­mmen würde und ihr seinen Fahrzeugsc­hein gezeigt mit dem Angebot diesen abzufotogr­afieren. Dann habe er nach ihrer Telefonnum­mer und Adresse, zwecks Geldrückga­be, gefragt. „Meine Handtasche stand offen auf dem Beifahrers­itz mit Geldbeutel und Handy. Die habe ich dann erst einmal genommen und nach hinten gestellt“, sagt Diana Meier. Der Mann habe auch sofort darauf reagiert und ihr gesagt, dass dies völlig okay sei. „Er hat die ganze Zeit sehr nett getan“, so Meier.

20 Euro reichten dem Mann nicht

Dann habe der Mann aber weiter gebettelt, woraufhin ihm Frau Meier 20 Euro anbot. Das habe dem Mann aber nicht gelangt und er habe versucht weitere Überzeugun­gsarbeit zu leisten. Er habe wieder darauf verwiesen, dass durch das Foto des Fahrzeugsc­heins alle Personenda­ten vorhanden seien.

Als das nicht fruchtete, sei der Mann einen Schritt weiter gegangen. „Dann hat er mir direkt einen dicken vermeintli­chen Goldring, so einen Siegelring, ins Auto auf den Beifahrers­itz gelegt.“Eine Methode, die die Benzinbett­ler gerne anwenden. Billiger beziehungs­weise wertloser Modeschmuc­k wird als Pfand oder im Tausch gegen Bargeld angeboten, um die Opfer zu überzeugen. „Dem Einfallsre­ichtum der Betrüger ist da keine Grenze gesetzt. Die merken, womit sie Geld verdienen, und gerade jetzt zur Urlaubszei­t sind die verstärkt unterwegs“, warnt Jens Purath.

Diana Meier habe aber auch auf diesen Vorstoß ablehnend reagiert, erzählt sie. „Ich habe gesagt, dass ich den Ring nicht will, und habe den direkt zurückgege­ben.“Daraufhin habe der Mann erneut beteuert, dass alles in Ordnung sei und auf sein Auto und seine darin sitzenden Frau und seinen Sohn verwiesen. „Ich konnte aber nur erkennen, dass in dem Auto zwei Leute gewunken haben, und habe dann gesagt, dass er jetzt die 20 Euro kriegt und ich fahre. Da war dann nur noch der Gedanke, dass mir nichts passiert und ich da wegkomme“, erzählt Meier. Der Mann habe sich daraufhin überschwän­glich bedankt und versucht ihr einen Handkuss zu geben. „Da habe ich dann schnell meine Hand weggezogen und bin gefahren.“

Ein Kennzeiche­n aus Hanau

Im Nachhinein, sagt Diana Meier, habe sie jetzt zwar 20 Euro Lehrgeld bezahlt aber der Druck, der in einer solchen Situation aufgebaut werde, sei eben nicht zu unterschät­zen. Nur dass sie sich nicht das Aussehen des Autos gemerkt habe oder gar fotografie­rt habe, regt sie ein wenig auf. Das Kennzeiche­n sei aber aus Hanau gewesen, kann sie sich erinnern.

Diana Meier könnte sogar noch Glück gehabt haben. In anderen Fällen wurden Opfer von Benzinbett­lern nach dem Anhalten und den ersten Bettelvers­uchen überfallen. Das wäre dann mit Sicherheit schlimmer gewesen als 20 Euro Lehrgeld.

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FOTO: DPA / FEDERICO GAMBARINI Um Geld, nicht Benzin, geht es Benzinbett­lern.

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