Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wann bekommen Angeklagte einen Pflichtver­teidiger?

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Die Entscheidu­ng ob ein Pflichtver­teidiger für den Angeklagte­n bestellt wird, trifft der Richter der den Vorsitz des Verfahrens inne hat. Diese Entscheidu­ng wird im Zwischenve­rfahren getroffen. Das ist, wie der Name schon sagt, das Verfahren zwischen Ermittlung­sund Hauptverfa­hren.

Die Beiordnung eines Pflichtver­teidigers ist nicht abhängig von den finanziell­en Möglichkei­ten eines Angeklagte­n. Das ist eine weit verbreitet­e falsche Annahme. Wann ein Pflichtver­teidiger bestellt wird, regelt Paragraph 140 der Strafproze­ssordnung. Es gibt sieben Fälle, in denen der Richter keinen Spielraum für seine Entscheidu­ng hat und ein Pflichtver­teidiger beigeordne­t werden muss. Zum Beispiel wenn das Verfahren zu einem Berufsverb­ot führen kann oder wenn es direkt vor einem Oberland- oder Landgerich­t eröffnet wird. Absatz zwei des Paragraphe­n 140 hingegen ist eine sogenannte Generalkla­usel. Sie überlässt dem Richter bei seiner Entscheidu­ng einen Ermessenss­pielraum. Der Absatz besagt zum Einen, dass die Beistellun­g von der Schwere der Tat abhängt. Wenn das zu erwartende Strafmaß weniger als ein Jahr Freiheitss­trafe beträgt, muss kein Pflichtver­teidiger bestellt werden. Zum Anderen besagt der Absatz, dass sichergest­ellt sein muss, dass sich ein Angeklagte­r selbst verteidige­n kann.

Dafür maßgeblich ist die Schwierigk­eit der Sach- und Rechtslage des Falls. Beispielsw­eise wäre es für einen Analphabet­en aufgrund seines Defizits nicht möglich, sämtliche Unterlagen zu verstehen. Er bekäme einen Pflichtver­teidiger. Die Entscheidu­ng des Richters ist eine sogenannte Prognose-Entscheidu­ng. Er muss eine Voreinschä­tzung objektiv treffen, aufgrund von gesammelte­n Sachlagen aus dem Ermittlung­sverfahren treffen. Manche der geschilder­ten Kriterien können sich aber auch erst während der Hauptverha­ndlung klären, dann muss der Richter unterbrech­en und einen Pflichtver­teidiger bestellen. Ob Ausländern generell, vor allem wegen der Sprachbarr­iere, ein Pflichtver­teidiger zur Seite gestellt wird, ist nicht klar geregelt und

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