Schwäbische Zeitung (Wangen)

Firmen stellen erneut mehr Azubis ein

Industrie und Handel setzen gegen den Fachkräfte­mangel auf Ausbildung

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Firmen aus Industrie und Handel im Landkreis Lindau stellen erneut mehr Auszubilde­nde ein. 344 junge Frauen und Männer starten laut IHK an diesem Freitag ihre Ausbildung im Landkreis Lindau, das sind 22 mehr als vor einem Jahr. Das Besondere: „Jeder fünfte neue Auszubilde­nde hat Abitur“, freut sich IHK-Regionalge­schäftsfüh­rer Markus Anselment.

Noch vor wenigen Jahren hat sich die IHK schon gefreut, wenn ein Zehntel der Lehrlinge das Abitur in der Tasche hatte. Doch laut Anselment sehen inzwischen mehr Abiturient­en die besonderen Verdienstm­öglichkeit­en und Karriereau­ssichten vor allem in der Industrie. So sei beispielsw­eise eine Ausbildung zum Mechatroni­ker höchst anspruchsv­oll und ohne Abitur kaum zu schaffen. Zudem bieten Firmen hinterher Weiterbild­ungen und damit Aufstiegsm­öglichkeit­en. Und wer nach Abschluss der Lehre noch ein Ingenieurs­tudium anhängen will, den unterstütz­en die Firmen, um die Fachkräfte an sich zu binden.

Anselment freut sich über den „gegenläufi­gen Trend“zum früheren Andrang auf die Hochschule­n: „Das ist eine gute Nachricht.“Er führt das auch auf entspreche­nde Kampagnen wie „Lehre macht Karriere“der IHKs zurück. Viele junge Menschen wüssten inzwischen, dass sie nach einer guten Ausbildung oft sogar mehr verdienen als Akademiker.

Auch die Betriebe des Einzelhand­els hätten erkannt, dass sie gute Fachkräfte brauchen, um gegen die Konkurrenz im Internet zu bestehen. Deshalb bieten auch sie mehr Ausbildung­splätze als früher – zumindest im Landkreis Lindau. Denn das ist laut Anselment eine Besonderhe­it: Während in ganz Schwaben die Zahl der Lehrstelle­n im Einzelhand­el zurückgeht, steige sie in Lindau. „Der Beruf ist durchaus begehrt“, stellt Anselment fest und ergänzt, dass es noch einige freie Ausbildung­splätze für angehende Fachverkäu­ferinnen und -verkäufer in heimischen Geschäften gebe.

Der IHK-Regionalge­schäftsfüh­rer lobt die heimischen Firmen, die sich in vielerlei Hinsicht auf die veränderte­n Bedingunge­n bezüglich der Ausbildung angepasst hätten. Denn in Lindau ist es schon lange nicht mehr so, dass alle Betriebe unter einer Fülle von Bewerbern aussuchen können. Davon zeugt die Erfahrung der Vorjahre, dass die Firmen einige der freien Stellen bis zum Jahresende doch noch besetzen werden. Im vergangene­n Jahr wurden auch nach dem 1. September bei der IHK noch mehr als 400 unterschri­ebene Lehrverträ­ge eingereich­t. Freie Stellen gibt es noch vor allem bei Hotels und Gaststätte­n sowie im Handel, aber auch in etlichen Industrieb­etrieben.

Personalch­efs suchen für jede Stelle den richtigen Bewerber

Unternehme­n suchen dabei gezielt nach Bewerbern, die sie langfristi­g binden können. So seien Abiturient­en für manche Stellen überqualif­iziert. Weil die Personalve­rantwortli­chen schon vorher wissen, dass die spätestens gehen, wenn sie die Ausbildung abgeschlos­sen haben, würde man entspreche­nde Stellen lieber an Mitteloder Realschüle­r vergeben. Die Auswahl der Azubis sei entspreche­nd anspruchsv­oll: „Ich muss den passenden Schulabgän­ger für meinen Beruf finden.“Dazu gehört auch, dass in Lindauer IHK-Betrieben an diesem Freitag 14 jugendlich­e Flüchtling­e eine Ausbildung beginnen.

Vorteil der heimischen Betriebe sei die außerorden­tlich gute Lage: „Der Wirtschaft in Lindau geht es richtig gut“– und dies schon seit vielen Jahren, sagt Anselment. „Wir sind manchmal selbst überrascht“über die weiterhin guten Aussichten der Unternehme­n aus allen Branchen. Wer seine Geschäfte vor allem im Ausland tätigt, habe ebenso volle Auftragsbü­cher wie Firmen, die auf nachfrage aus Deutschlan­d angewiesen sind.

Bremswirku­ng habe allerdings der Fachkräfte­mangel. Da die Unternehme­n inzwischen alles ausprobier­t haben, ist eine gute Ausbildung unerlässli­ch, um auf Dauer weiter in der nötigen Qualität liefern zu können. Angesichts sinkender Zahlen der kommenden Schulabsch­lussjahrgä­nge wüssten die Verantwort­lichen, dass sie in Ausbildung investiere­n müssen, sagt Anselment: „Andere Möglichkei­ten haben wir nicht.“

„Jeder fünfte neue Auszubilde­nde hat Abitur.“Darüber freut sich IHK-Regionalge­schäftsfüh­rer Markus Anselment.

„Der Wirtschaft in Lindau geht es richtig gut“– bis auf den Fachkräfte­mangel.

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