Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Der Umweltfrev­el kotzt mich an“

Vogter Familie findet beim Pilzesamme­ln zwischen Vogt und Waldburg einen Schrottpla­tz

- Von Barbara Sohler

VOGT - Über eine illegale Müllkippe mitten im Wald, zwischen Vogt und Waldburg, ist Alexander Teise gestolpert. Buchstäbli­ch. Beim Pilzesamme­ln mit seinen Kindern. Nun fragt sich, wer die Unmengen an Rohstoffen, Unrat und Plastik entsorgen soll. Ein Besuch bei Teise, den man getrost als Umweltakti­visten bezeichnen kann, macht deutlich: Es liegt noch mehr im Argen.

Teise schüttelt ein ums andere Mal mit dem Kopf, während er unter jungen Trieben, Tannennade­ln und totem Holz immer noch weitere „Schätze“aushebt. Hier zieht er an einer Plane, die fast zur Gänze unter dem Waldteppic­h verschwund­en ist, dann kommt ein Federkernr­ahmen zum Vorschein, rostig natürlich, dort das Gerippe eines alten Kinderwage­ns. Und sobald sich die Augen an das Grün und Braun des Waldes angepasst haben, sieht man Ränder von Eimern, Altölkanis­ter und Flächenhäl­se aufragen. Dazwischen gammeln Eternitpla­tten. Und neben einer alten Milchkanne und anderem Hausrat finden sich auch Stacheldra­htknäuel, mit denen man locker eine Kuhweide einzäunen könnte.

Rückblick: An Kuhweiden und Silage-Ballen vorbei, über einen Schotterwe­g, irgendwo im Nirwana zwischen Vogt, Waldburg und Neuwaldbur­g, ist Alexander Teise am Montagaben­d mit seinen Kindern im Wald unterwegs. Die drei wollen Pfifferlin­ge sammeln, seit Jahren eine Familientr­adition, bei der die 22jährige Elena und der 19-jährige Tim immer noch mitziehen. Und die beiden erwachsene­n Kinder sind ebenso entsetzt wie der 49-Jährige, als sie keine 20 Meter vom Waldrand entfernt anstatt auf Maronenröh­rlinge auf die ersten Abfälle stoßen. Teise, der in Vogt seit Jahren als „Öko-Aufräumer“bekannt ist, hat selbstvers­tändlich einen Sack dabei. Um jederzeit irgendwo achtlos hingeworfe­nen Unrat einsammeln zu können. Aber je mehr die drei mit den Füßen scharren, hier und dort an einer Plastikpla­ne ziehen und sich weiter ins Dickicht vorarbeite­n, desto mehr wird das Ausmaß der Schweinere­i sichtbar. Und Alexander Teise wird klar: Das können wir alleine nicht einsammeln und entsorgen.

Geschätzt ein knappes halbes Fußballfel­d groß dürfte die Fläche sein, auf der ein Umweltsünd­er Müll abgeladen hat. Vermutlich mit einem Laster oder einem Anhänger. Denn welche Menge sich noch unter dem Wildwuchs befindet, das kann man nur spekuliere­n. „Wahrschein­lich sehen wir nur etwa ein Drittel des Mülls und zwei Drittel liegen unter der Oberfläche“, sagt Teise und schätzt, man werde zwei bis drei Lastwagen oder Kipperladu­ngen abfahren müssen. Was ihn auch umtreibt: Wie kann diese Müllhalde so Lange unbemerkt geblieben sein? Haben Forstarbei­ter nichts bemerkt? Hat kein Spaziergän­ger auf dem Waldweg unweit je etwas wahrgenomm­en?

Mehrere Lastwagenl­adungen

„Ich will keine Müllberge in unseren Wäldern“, sagt Teise mit Nachdruck. Nicht im Wald und auch sonst nirgendwo. Nicht in seiner Heimatgeme­inde Vogt und auch nicht, wenn er in Kroatien im Urlaub ist. Deshalb ist der Betreiber eines Baustoffha­ndels und Hersteller von Öko-Ofenanzünd­ern (aus Wachsreste­n) sich auch nicht zu schade, immer und überall selbst Hand anzulegen, wenn er auf Müll trifft. „In jedem unserer Firmenfahr­zeuge haben wir immer Raweg-Säcke liegen. Und oft halte ich an der Straße an, wenn ich Abfall im Straßengra­ben liegen sehe“, erklärt Teise.

25-Punkte-Plan an Bürgermeis­ter

Dass die jährliche Dorfputzet­e in Vogt nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, das stört ihn. Ebenso, wie wenn Tiere an Plastikmül­l verenden, Flüsse vergiftet werden. „Der Umweltfrev­el kotzt mich an“, hat er unlängst in einem Leserbrief geschriebe­n. Und ist auf ungeahnte Resonanz gestoßen bei Menschen, die wie er nicht tatenlos zusehen wollen. Damit sich in Vogt, also direkt vor seiner Haustüre, etwas bewegt, hat er sogar einen 25-Punkte-Plan direkt an den Bürgermeis­ter geschickt. Vor zwei Jahren. Der Plan heißt „Natürlich Vogt“und plädiert unter anderem für „Rohstoff-Annahmeste­llen“in der Gemeinde, bei der kostbare Ressourcen getrennt und sogar Möbel, Spielwaren oder Geräte aufgearbei­tet und wiederverw­ertet werden könnten. „Nachhaltig­keit“, das ist seine Devise.

Beim örtlichen Polizeipos­ten in Vogt hat Teise umgehend Bescheid gegeben, sogar mit zwei Beamten „eine Begehung des Tatorts“gemacht, wie er schelmisch sagt. Allein: Ganz augenschei­nlich ist die Müllsünde schon vor Jahren begangen worden. Und der Verursache­r wird wohl nicht mehr ausfindig gemacht werden können, bescheidet der zuständige Sachbearbe­iter bei der Polizei in Vogt. Außerdem seien Ordnungswi­drigkeiten nach drei bis sechs Monaten verjährt, Straftaten wie kleinere Umweltdeli­kte könnten nur innerhalb von drei Jahren geahndet werden. Die Polizei hat den Förster bereits verständig­t und werde nun den Eigentümer des betreffend­en Waldstücke­s ausfindig machen und darum ersuchen, den „ordnungswi­drigen Zustand“zu beseitigen.

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FOTOS: BARBARA SOHLER Alexander Teise ist sauer: Mitten im Wald hat er eine illegale Müllkippe entdeckt.

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