Schwäbische Zeitung (Wangen)

Alles eine Frage der Zeit

Die Katastroph­e in der Schweiz wirft die Frage auf, wie es am Hochvogel aussieht

- Von Michael Munkler

HINTERHORN­BACH - Er ist mit 2592 Metern Höhe zwar nicht einer der höchsten, aber wohl einer der markantest­en Allgäuer Berggestal­ten: der Hochvogel. Wir sitzen vor dem Kaufbeurer Haus, hoch über Hinterhorn­bach. „Irgendwann muss doch mal was passieren“, sagt ein Wanderer. Er sitzt auf der Bierbank vor der kleinen Hütte und starrt durch sein Fernglas unentwegt auf den südlichen Gipfelaufb­au des Hochvogels. Das klingt so, als wolle er einen Bergsturz geradezu heraufbesc­hwören. Nur von wenigen Orten ist der Blick so gut auf den Felskoloss, wie von hier.

Landesgeol­ogisches Gutachten

Inzwischen ist es ziemlich genau drei Jahre her, dass der Bäumenheim­er Weg von Süden auf den Hochvogel gesperrt wurde. Das sei eine reine Vorsichtsm­aßnahe, hieß es damals. Ein Gutachten der Tiroler Landesgeol­ogie brachte es an den Tag: Es bestehe die „Gefahr von Steinschla­g, Blockstürz­en und Absturz ganzer Felswandbe­reiche“. Die Geologen benutzen ihr eigenes Vokabular: Nachdem sie den Gipfelbere­ich überflogen hatten, hieß es, dass „der gesamte Gipfelstoc­k des Hochvogels progressiv in Auflösung begriffen ist“. Zu Deutsch heißt das: Jederzeit könnten sich an der Südseite kubikmeter­weise Fels und Gestein lösen und zu Tal donnern. Erst vergangene­n Sommer hatte sich ein Bergsturz am Hochvogel ereignet, den Wanderer sogar zufällig filmten. Der ganz große Wurf war das aber noch nicht. Somit ist alles nur eine Frage der Zeit, bis es am Berg wieder richtig rumpelt. Ein Gutachten der Technische­n Universitä­t München war zu dem Schluss gekommen, dass sich am Berg immer neue Hohlräume bilden und sich vorhandene weiter öffnen. Kenner des Gipfelbere­ichs haben zudem beobachtet, dass sich ein Felsspalt immer weiter öffnet. Diesen Spalt gebe es schon seit mindestens 50 Jahren, berichten ältere Bergsteige­r. Klar ist: Wer den Hochvogel-Gipfel über andere Wege erreicht, sollte diesen Bereich am Gipfel möglichst meiden.

Die Geologen glauben: Wächst der Riss, könnten grob geschätzt 10 000 Kubikmeter Felsmasse die Südwand hinunterdo­nnern und den Bäumenheim­er Weg, einen leichten Kletterste­ig, unter sich begraben.

Anstieg bleibt möglicherw­eise zu

„Das Gestein ist vielfach brüchig“, heißt es schon in der älteren Führerlite­ratur über den Hochvogel. Dokumentie­rte Felsstürze am Hochvogel gibt es unter anderem aus den Jahren 1934, 1935, 2005, 2007 und zuletzt 2016. 109 Jahre lang war die Besteigung des Hochvogels über den Bäumenheim­er Weg in Verantwort­ung der Alpenverei­nssektion Donauwörth möglich. Doch derzeit ist nicht davon auszugehen, dass der Anstieg je wieder geöffnet wird. Er sei den Weg seit der Sperrrung schon öfter gegangen, schildert ein Bergsteige­r. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Er sagt: „Das Risiko, dass ich gerade unterwegs bin, wenn sich ein Felssturz ereignet, halte ich für sehr gering.“Vielleicht haben so auch die Alpinisten in der Schweiz gedacht, die wahrschein­lich von den Felsmassen erfasst wurden.

„Irgendwann muss doch mal was passieren“, brummelt der Wanderer vor dem Kaufbeurer Haus und schaut weiter durch sein Fernglas auf den Hochvogel.

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FOTO: MICHAEL MUNKLER Der Hochvogel hoch über dem Hornbachta­l. Auf dem Foto die Südseite, wo seit Jahren mit einem schweren Bergsturz gerechnet wird.

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