Stimmen zum Kaufland-Urteil: „Sensationell“und „sagenhaft“– Aber auch: „Es gibt andere Sichtweisen“und „Kaufland hat Plan B“
Nach Bekanntwerden des Urteils in der zweiten Instanz des Kauflandprozesses am Freitagvormittag hat die „Schwäbische Zeitung“nachfolgende Meinungen zum Verfahrensausgang eingeholt.
Christoph Morlok, Vorsitzender der Wangener Leistungsgemeinschaft, zeigte sich entsprechend erfreut, als er von der Gerichtsentscheidung erfuhr: „Das ist sensationell und eine erfreuliche Nachricht“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. „Ich freue mich sehr für den Wangener Einzelhandel und ganz Wangen.“
Morlok, der die in der Leistungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Innenstadthändler vertritt, ergänzte: „Das ist auch für andere Gemeinden wichtig.“Für sie handele es sich um ein Signal, in vergleichbaren Fällen „nicht gleich beim ersten Zipperlein zu sagen: Wir haben eh keine Chance.“
Die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler in Wangen, Ursula Loss, freut sich ebenfalls außerordentlich über das Urteil: „Das ist natürlich eine sagenhafte Nachricht. Da muss ich schon sagen, das freut mich für unseren OB, dass er mit seinem Verhandlungsgeschick und seinen vorbereiteten Maßnahmen einen Erfolg erzielt hat.“
Das Urteil hat für Ursula Loss außerdem einen gewissen richtungsweisenden Charakter: „Für mich ist das auch ein Musterfall und ein Musterbeispiel dafür, dass man sich gegen große Unternehmen durchsetzen kann.“
Alwin Burth, Fraktionsvorsitzender der SPD im Wangener Gemeinderat, ist da zurückhaltender. Zum Einen habe ihn das Urteil in seiner Schnelligkeit und seinem Ausgang nicht wirklich überrascht: „Aus der Verhandlung konnte man ja schon den Eindruck gewinnen, dass die Richter die Argumente der Stadt nachvollziehen können.“
Burth glaubt aber nicht, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. „Kaufland wird auch einen Plan B haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich da nichts überlegt haben, falls das Urteil gegen sie ausfällt. Die haben weiterhin Interesse und es wird spannend sein, was da noch kommt“, mahnt er zur Vorsicht.
Otto Joos, CDU-Stadtrat und Inhaber des gleichnamigen Metzgereibetriebs erklärte: „Ich finde es gut, dass sich die Stadt gegen einen Riesenkonzern durchsetzen konnte und es kein Vorrecht gibt, auf der grünen Wiese zu bauen und eine Altstadt auszubluten. Die Richter haben gesehen, dass wir genügend Lebensmittelhändler hier in Wangen haben. Vielleicht setzt mit diesem Urteil auch deutschlandweit ein Umdenken ein, dass nicht jedem Unternehmen alles genehmigt werden muss.“
Hans-Jörg Leonhardt, ebenfalls CDU-Stadtrat: „Ich bin mit anderen nicht gänzlich gegen ein Kaufland gestanden und zwiegespalten. Wichtig war und ist mir, dass die Altstadt keinen Schaden nimmt.“Zur Frage, wie nahe ein Verbrauchermarkt an die Stadt gebaut werden darf, „gibt es auch andere Sichtweisen und Meinungen. Ich höre auch von vielen Bürgern, dass ein erweitertes Angebot in Wangen erwünscht wäre. Auch in anderen Städten leben Kaufland und Innenstädte parallel. Man kann nicht pauschal sagen, dass da jemand drunter leidet.“In die Zukunft gerichtet, erklärte Leonhardt: „Wir werden jetzt genau schauen, was in Sachen Gelände rauskommt. Und wir werden sagen müssen: Was machen wir damit? Was wollen wir dort?“
Siegfried Spangenberg, Stadtrat der GOL: „Über das Urteil bin ich natürlich sehr froh. Im Grunde ist es aber auch das, was zu erwarten war. Nun gilt es zu sehen, wie es dort weitergeht. Wir müssen das Ganze wasserfest machen und nachfassen, damit Kaufland nicht über den Bebauungsplan kommt.“Denn Spangenberg glaubt: „Kaufland wird wahrscheinlich nicht locker lassen. Dabei wäre das Unternehmen gut beraten, zu sagen: Das lassen wir jetzt und geben das Grundstück in absehbarer Zeit zurück, damit die Stadt es gestalten kann.“Jetzt sei man auf gutem Weg, die gewachsenen Strukturen in der Stadt erhalten zu können. Erleichterung überwiegt auch bei Ludwig Kakas, Geschäftsführer des Edeka im Argencenter: „Klar, war die Befürchtung groß darüber, was passiert, wenn Kaufland kommt. Auch wenn man das Geschäft nicht von der Konkurrenz abhängig machen darf.“Dennoch hat er Verständnis für beide Seiten. Er verstehe sowohl Kaufland, das seit 2015 viel Geld für die Prozesse bezahlt habe. Er freue sich aber auch für die Einzelhändler in der Stadt, die viel Zeit und Mühe in ihre Geschäfte investierten. Besonders erfreut ist Kakas aber, dass das Gericht der Argumentation der Stadt gefolgt ist und das Argencenter als Teil der Innenstadt ansieht. „Wir fühlen uns ja auch als Teil davon. Wir profitieren von den Menschen, die aus der Innenstadt zu uns kommen und umgekehrt die Innenstadt von unseren Kunden, die für den Besuch in der Innenstadt bei uns parken können.“