Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vorpommers­che Teezeit

Beim TV-Duell plaudern Merkel und Schulz über Dieselskan­dal und Flüchtling­sprobleme

- Von Sabine Lennartz

BERLIN -„Viel Glück und viel Segen“, Unions-Fraktionsc­hef Volker Kauder bekommt zum Einzug ins Studio Berlin ein Geburtstag­sständchde­n. Berlins CDU-Chefin Monika Grütters streichelt ihm zum 68. Geburtstag liebevoll die Nackenhaar­e, Rheinland-Pfalz Vorsitzend­e Julia Klöckner meint, er sähe aus wie 20, und Volker Kauder selbst hat an seinem Geburtstag­sabend in Berlin vor allem einen Wunsch: Dass das Duell spannend wird.

Am Ende des Abend zeigte sich, sein Wunsch wurde erfüllt. Mehr als es sich viele erwartet hatten. Die beiden Kontrahent­en führten eine durchaus muntere Diskussion. Angela Merkel im königsblau­en Blazer, Schulz im dunkelblau­en Anzug. Ihre Pulte im türkisblau­en Studio B sind mehr zueinander­gedreht als in der Vergangenh­eit. Nebenan, auf 2500 Quadratmet­er Fläche warten rund 700 Journalist­en mit Politikern und Beratern. Sie alle stehen parat, um nach dem Duell ihre eigenen Leute. zu loben. Während Kanzleramt­schef Peter Altmaier von Frau Merkels Auftritt schwärmt, freut sich SPDFraktio­nschef Thomas Oppermann, dass Schulz ordentlich gepunktet hat. Schulz habe dominiert und gestaltet. Und er habe Merkel mit seinen klaren Positionen in der TürkeiFrag­e überrascht. Das sei keine große Kunst, meint der Politikber­ater Michael Spreng, denn als Opposition­spolitiker könne Schulz in außenpolit­ischen Fragen auch viel unbefangen­er sein. Und die Wahrschein­lichkeit, dass er später daran gemessen werde, sei durch das Duell nicht größer geworden, fügt er süffisant hinzu. Doch auch Spreng, der einst Stoiber beriet, findet, dass Schulz seine Sache gut gemacht habe.

Grünen-Chef Cem Özdemir meint dagegen, dass sich Merkel und Schulz ohnehin kein Duell geliefert haben, sondern ein Selbstgesp­räch des Stillstand­s. „Egal, wer dieses angebliche Duell gewonnen hat, bei CDU und SPD hat der Klimaschut­z verloren“, sagt Özdemir.

Beide sind zufrieden

Martin Schulz und Angela Merkel kommen nach dem Duell noch in die Halle zu den Journalist­en. Martin Schulz wird besonders laut beklatscht von seinen Leuten. Er ist mit sich zufrieden, findet, dass er als glaubwürdi­ger Kandidat aufgetrete­n ist.

Merkels Umgebung zeigt sich ebenfalls begeistert, beanstande­t allerdings, dass man zu lange über Flüchtling­e geredet habe statt über anstehende Themen wie die Dieselkris­e oder Nordkorea.

„Das TV-Duell wird die Wende bringen“, hatte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann im Vorfeld gesagt. Und die SPD war sich – übrigens genau wie die CDU – natürlich schon im Vorfeld sicher, dass ihr Kandidat gewinnt. So sicher, dass sie schon eine Anzeige geschaltet hatte „Merkel verliert klar gegen Martin Schulz“wurde irrtümlich­er Weise schon in der Nacht vor dem Duell bei Google freigescha­ltet. Eine peinliche Panne. Die CDU hat den Ausgang abgewartet. „Klug, besonnener und entschiede­n“habe die Bundeskanz­lerin sich gezeigt, heißt es gleich nach Abschluss des Duells.

Gleich am Anfang des Duells bringt Schulz Merkel leicht ins Stottern. „Zu sagen, sie würde alles noch einmal so machen wie 2015, da würde ich nicht zu raten“. Sie hätte die europäisch­en Nachbarn früher einbeziehe­n müssen. Merkel verteidigt ihren Kurs. Und sie hält das EU-TürkeiAbko­mmen „für nach wie vor richtig.“

Schulz spricht in der Türkei-Frage eine sehr klare Sprache. „Wenn ich Kanzler bin, werde ich die Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei abbrechen.“Merkel warnt davor diese Frage in den Wahlkampf zu bringen, um zu zeigen, wer härter ist. Sie will den Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en nur im europäisch­en Kontext machen.

Schulz hält dagegen: „Die Sprache, die Herr Erdogan versteht, ist die Sprache, die ich spreche.“Deshalb müsse Deutschlan­d klare Kante zeigen als deutsche Position in der EU.

Bei seiner Wahl zum Kanzlerkan­didaten hatte Martin Schulz seine Sorge um mehr Gerechtigk­eit in Deutschlan­d in den Mittelpunk­t gestellt. Auf immer noch über zwei Millionen Arbeitslos­e, auf prekäre und befristete Arbeitsver­hältnisse weist Schulz hin.

Merkel nimmt das Thema soziale Gerechtigk­eit auf, und bevor Schulz etwas sagen kann, weist sie darauf hin, dass in der Union keinesfall­s die Rente mit 70 geplant sei. „Finde ich toll, Frau Merkel“, lobt Schulz postwenden­d. Schließlic­h habe der CDU-Wirtschaft­srat das ja gefordert. Und er weist noch einmal auf die Maut hin, bei der Merkel auch einst gesagt hätte, mit ihr werde es sie nicht geben.

Noch einmal zeigt sich Schulz mit seinem Lieblingst­hema Gerechtigk­eit. 60 Sekunden hat er für ein Schlusswor­t? Dann will er daran erinnern, dass eine Krankensch­wester in 60 Sekunden 40 Cent verdient, ein Manager mehr als 30 Euro. In Zeiten des Umbruchs brauche man Mut zum Aufbruch, fordert Schulz. Angela Merkel hat das letzte Wort. „Sie kennen mich“, hat sie beim letzten Mal gesagt. Dieses Mal übernimmt sie gleich die Regie. Sie dankt für das Duell und wünscht den Zuschauern noch einen schönen Abend.

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FOTO: DPA Selfie mit der Kanzlerin: Angela Merkel (CDU) mit jungen Anhängern bei der Ankunft in den Fernsehstu­dios in Adlershof in Berlin.

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