„Ich bitte Sie, herzhaft zuzubeißen“
Bodensee-Apfelsaison wird mit Appell an die Verbraucher eröffnet – Ernteausfälle bis zu 63 Prozent
FRIEDRICHSHAFEN - 63 Prozent durchschnittlicher Ernteausfall bei den Bodenseeäpfeln, so lautet die aktuelle Schätzung. Im Bioobstbau sind es sogar 82 Prozent. In ganz Deutschland ist die Apfelernte 46 Prozent geringer als üblich ausgefallen, die Bodenseeregion ist dabei am stärksten betroffen, gefolgt vom Rheinland mit einem Ausfall von 58 Prozent. Diese Zahlen trug zur Eröffnung der Apfelsaison der Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Bodenseeobst, Egon Treyer, vor und betonte außerdem die Verantwortung der Verbraucher.
Auch Ministerialdirigent Joachim Hauck des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstrich die Rolle der Konsumenten: „Ich bitte Sie, herzhaft zuzugreifen und zuzubeißen. Die Botschaft des Tages muss lauten: Kaufen Sie erst Obst von hier, dann von anderswo.“Daraufhin stellte er das finanzielle Hilfsprogramm „Frosthilfe 2017“vor, dessen Ziel es sein werde, die Ausgleichszahlungen genau dann zu leisten, wenn die Landwirte normalerweise die Ernteerträge erhielten, sodass der laufende Betrieb aufrecht erhalten werden könne. „Wir wollen jedem Betrieb helfen, gleichen aber nicht jeden Schaden aus und bitten dafür um Verständnis.“
Pro Betrieb bis zu 150 000 Euro Ausgleichszahlung
Bis zu 150 000 Euro seien als Ausgleichszahlung pro Betrieb vorgesehen, dieser basiere dann auf einem tatsächlichen Schaden in Höhe von 300 000 Euro. Doch damit nicht genug. „Mit der Ausgleichszahlung dürfen wir die Sache nicht als beendet betrachten“, führte Joachim Hauck weiter aus. Es gelte, Frostschutzmaßnahmen zu erarbeiten, die im Einklang mit Naturschutzregelungen stünden, von diesen aber nicht behindert werden dürften. „Wer hier nur auf Naturschutz pocht, der hat die Situation nicht verstanden“, kommentierte er. Zum Abschluss seiner Rede wandte er sich wieder positiven Themen zu: „Inzwischen setzen auch die großen Handelsketten auf Regionalität, die das lange nicht getan haben. Die Verbraucher wollen wissen, wo die Produkte herkommen“, lobte er und schloss seine Ansprache mit einem Verweis auf die Landesinitiative „BeKi – Bewusste Kinderernährung“, in der Kinder früh lernen sollten, wie Obst und auch rohe Produkte schmecken, denn: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, zitierte der Ministerialdirigent zum Abschluss ein altes Sprichwort.
Auch Landwirtschaftsamtsleiter Hermann Gabele nutzte altbekannte Worte für sein Grußwort – und zwar einen Auszug aus Friedrich Schillers Gedicht „Die Glocke“: „Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister loben; doch der Segen kommt von oben.“Damit schlug er einen historischen Bogen vom aktuellen Erntedesaster hin zu einer der größten bekannten landwirtschaftlichen Katastrophen der Geschichte. 1816 und 1817 seien Jahre ohne Sommer gewesen, die Getreideernte sei ausgefallen und dies habe zu einer Hungersnot geführt. Dies sei nun genau 200 Jahre her und das Landwirtschaftsamt wolle daher an jene Ereignisse erinnern. „Außerdem zeigen die aktuellen Ereignisse, dass trotz allen technischen Fortschritts nach wie vor das Wetter einen großen Einfluss hat“, sagte er abschließend.