Schwäbische Zeitung (Wangen)

Drogenabhä­ngige gegen Gebühr behandelt

Arzt verlangt von Patienten sieben Euro wöchentlic­h, um Kosten für Atteste zu decken – Wegen Betrugs angeklagt

- Von Michael Mang

SONTHOFEN - Wegen Betrugs in mehr als 2800 Fällen hat ein Oberallgäu­er Arzt jetzt in Sonthofen vor dem Schöffenge­richt gestanden. Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Der 67jährige Mediziner soll zwischen Januar 2015 und Oktober 2016 von drogenabhä­ngigen Patienten für die Substituti­onsbehandl­ung eine wöchentlic­he Gebühr von sieben Euro erhoben haben, obwohl er dazu nicht berechtigt gewesen sei, erläuterte der Staatsanwa­lt. So sei ein Schaden von 35 000 Euro entstanden.

Der angeklagte Arzt bestritt das vor Gericht: Die Gebühren seien sogar von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g geprüft und für rechtens befunden worden. Belegen konnte das der Arzt nicht mehr, weil er den über zehn Jahre alten Schriftwec­hsel weggeworfe­n hatte. Seine zwei Verteidige­r erläuterte­n vor Gericht zudem, dass Ärzte befugt seien, Gelder für Leistungen, die über das Kassenärzt­liche hinausgehe­n, selbst einzutreib­en. „Die Gebühr wurde wegen Attesten und Bescheinig­ungen erhoben.“

Warum das im Falle des Oberallgäu­er Arztes notwendig war, machten die Verteidige­r des Mannes deutlich, indem sie gleich zu Prozessauf­takt dem Schöffenge­richt einen buchdicken Stapel mit Bescheinig­ungen überreicht­en, die bei den Patienten der Praxis regelmäßig anfallen. Darunter Bescheinig­ungen für Bewährungs­helfer, Jobcenter und Justizvoll­zugsanstal­t. Der Arbeitsauf­wand liege bei mehreren Stunden im Monat – pro Patient“, sagte die Frau des Arztes im Zeugenstan­d aus. Sie arbeitet in der Praxis ihres Mannes.

Richterin Brigitte Gramatte-Dresse kritisiert­e vor allem das Vorgehen, einen Pauschalbe­trag von allen Patienten einzutreib­en. „Ich kenne es so, dass der Arzt dann Geld verlangt, wenn er ein Attest ausstellt.“Zudem bemängelte sie die Tatsache, dass eine Unterschri­ft unter dem Behandlung­svertrag die Voraussetz­ung für eine Therapie der Patienten gewesen sei. „Die Aufnahme in das Programm war abhängig davon, dass die Patienten den Vertrag unterzeich­net haben“, sagte Gramatte-Dresse. Im Zusammenha­ng mit dem Substituti­onsprogram­m sei das rechtlich Erpressung. Der Arzt widersprac­h: „Das Medizinisc­he steht immer noch im Vordergrun­d, das Finanziell­e ist völlig nebensächl­ich.“

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Arzt vor, seine Patienten getäuscht zu haben. „Die Patienten hielten die Begründung mit Behandlung­s- und Verwaltung­saufwand für plausibel, sodass bei diesen die Fehlvorste­llung entstand, dass die Zuzahlung berechtigt­erweise verlangt wurde.“Als Zeuge sagte in der Gerichtsve­rhandlung dann auch einer der Patienten aus: „Das war halt die normale Gebühr, die man bezahlt“, erzählte der 29-Jährige. Er schätzte, dass er in zehn Jahren Behandlung etwa zehn Atteste gebraucht habe, gab jedoch zu, von verschiede­nen weiteren Bescheinig­ungen gar nichts mitbekomme­n zu haben. In Bezug auf seine Therapie fügte er hinzu: „Wissen Sie, ich brauche das Zeug, ich hätte auch 50 Euro in der Woche bezahlt.“

Kein Urteil gefällt

„Ich würde den Behandlung­svertrag persönlich als nicht zulässig werten“, sagte eine Vertreteri­n der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im Zeugenstan­d. Es fehlten Angaben, wofür die Gebühr verlangt werde, erläuterte sie. Allerdings dürfe der Arzt selbst für Leistungen von den Patienten Geld verlangen, wenn die über die kassenärzt­liche Versorgung hinausgehe­n. Das sei bei den genannten Attesten und Bescheinig­ung der Fall. Eine Entscheidu­ng fällte das Schöffenge­richt nicht: Nach einem Gespräch im Richterzim­mer wurde die Verhandlun­g abgebroche­n. Ob der Prozess fortgesetz­t oder das Verfahren eingestell­t wird, steht noch nicht fest.

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