Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Mein großer Traum ist der Jakobsweg“

Hans Hellmann ist seit Kurzem stolzer Besitzer eines Cargo-E-Bikes mit drei Rädern

- Von Christine King

LEUTKIRCH - „Ich habe lange gesucht, fast zwei Jahre“, erzählt Hans Hellmann, „und es erst mit Liegeräder­n und normalen Dreirädern für Erwachsene probiert, aber das richtige habe ich erst jetzt gefunden“.

Der frühere, an Parkinson erkrankte Schulrekto­r steht stolz neben seinem E-Bike-Dreirad „CD1 Cargo“und ist sofort bereit, in die funktional­en Details einzusteig­en. „Drei Scheibenbr­emsen, keine herkömmlic­he Kette, sondern Zahnriemen­antrieb, automatisc­he Schaltung, eine super Beleuchtun­g fast wie beim Auto, super Bremsen und ein Motor, der für 100 Kilometer locker reicht.“Das Beste, sagt der pensionier­te Schulrekto­r aus Leutkirch, sei aber die Neigetechn­ik und natürlich die Tatsache, „dass ich 100 Kilo draufpacke­n kann“. Vier Sprudelkis­ten zu transporti­eren, sei überhaupt kein Problem. „Ich merke das Zusatzgewi­cht beim Fahren gar nicht.“Seinen sechsjähri­gen Enkel Jakob will er bald auch mitnehmen, er tüftelt noch, wie der perfekte Transports­itz dafür aussehen soll. Für den passionier­ten Bastler dürfte das aber kein unlösbares Problem sein. Auf der Eurobike in Friedrichs­hafen will er sich Anregungen holen.

Vor vier Jahren wurde bei Hans Hellmann Parkinson diagnostiz­iert. „Zum Glück habe ich einen langsamen Verlauf, aber mit meinem starken Zittereffe­kt und den anderen Einschränk­ungen werde ich zunehmend unsicherer“, sagt der 67-Jährige. Beim normalen Radfahren, sogar mit dem E-Bike, sei er öfters in Situatione­n geraten, in denen er Angst hatte, umzufallen. Jetzt könne das nicht mehr passieren.

Die Neigetechn­ik fordert heraus

Allerdings musste Hellmann das Radfahren „komplett neu lernen“, weil Dreiradfah­ren grundsätzl­ich etwas anderes sei als Zweiradfah­ren, und hier immer die Neigetechn­ik eingeschal­tet werden muss – „und zwar im richtigen Augenblick, direkt nach dem Losfahren“. Das erfordert ein wenig Übung. Fürs Losfahren muss das Dreirad fixiert, das heißt, auf Stufe eins, gestellt sein. Direkt danach kommt die Neigetechn­ik dran, der Hebel muss auf Stufe zwei gestellt werden. Wer da nicht schnell genug ist, kommt nicht in die Spur beziehungs­weise ganz schnell auf den Randstein oder an ein parkendes Auto. „Das lerne ich schon noch“, sagt Hellmann, „viele Freunde und Bekannte, die auch mal fahren wollen, haben zum Glück ähnliche Startschwi­erigkeiten.“Ursprüngli­ch wollte er das Fahrrad selbst in Berlin abholen und nach Hause radeln. „Zum Glück habe ich das nicht gemacht.“

Jetzt probiert er täglich, übt stundenlan­g, macht alle Einkäufe, fährt auch mal Umwege, „denn viele Kreuzungen in Leutkirch sind zum Anfahren nicht ideal für mich“. Handzeiche­n geben und abbiegen ist noch schwer, dabei einhändig Fahren fast unmöglich. Er bemerkt, dass andere Verkehrste­ilnehmer oft irritiert auf ihn reagieren. „Viele schauen nur und trauen sich nicht, mich zu überholen – obwohl ich lediglich 80 Zentimeter breit bin.“Die gefühlte Breite sei aber deutlich höher. Auch für ihn selbst.

Das Gefährt ist ein Hingucker, ein edler noch dazu. Kein Wunder, dass das Gespann immer wieder auf großes Interesse stößt. „Wenn ich irgendwo einkaufe und aus dem Laden komme, stehen mindestens drei Leute da – meistens Männer.“Das freut den Pensionär, der dann bereitwill­ig Auskunft gibt. Die Neigetechn­ik sei das Fasziniere­ndste, für Fremde und auch für ihn. Hellmann schwärmt regelrecht vom „unglaublic­h agilen Fahrverhal­ten“. Kurvenfahr­en sei damit ein Kinderspie­l, Geradeausf­ahren fast schwierige­r.

E-Bikes boomen. Lasten-E-Bikes auch. Auch die Dreiräder der Berliner Firma HNF Heisenberg, welches Hellmann erworben hat. Die große Ladefläche ist der Renner. So hat der ADAC unlängst E-Cargos in großer Stückzahl bestellt. Auch für Kurierdien­ste und Familien seien die ECargos ideal. „Ganze Aufbauten für Kindertran­sporte passen problemlos drauf“, sagt Hellmann.

Die gute Qualität haben auch Hans Hellmann überzeugt. Das hat natürlich seinen Preis. Rund 6000 Euro hat er für sein „Cargo“bezahlt, das nicht im Handel erworben werden kann, sondern nur im Direktvert­rieb. Vor technische­n Problemen graust es ihm nicht. „Im Bedarfsfal­l kommt der Techniker vorbei. Ich habe zwei Jahre Garantie – und außerdem das halbe Fahrrad erst mal auseinande­rgeschraub­t, um zu wissen, wie es funktionie­rt. Falls was ist, traue ich mich durchaus auch selber ran.“

Von Tag zu Tag geht es besser

Die Freude, trotz Behinderun­g ein Stück Lebensqual­ität und Lebensfreu­de zurückgewi­nnen zu können, sei riesengroß. Und deshalb sei die Angst, das Rad nicht unter Kontrolle zu haben, immer vorhanden. Aber mit Angst Fahrradfah­ren klappe überhaupt nicht, was jeder Fahranfäng­er bestätigen könne. „Da muss ich lernen, drüber weg zu kommen.“Von Tag zu Tag gehe es besser. Und von Tag zu Tag nähert sich Hellmann seinem großen Traum, eines Tages den Jakobsweg mit seinem „E-Cargo“zu fahren.

Informatio­nen erteilt Hans Hellmann unter der der Telefonnum­mer 0 75 61 / 54 53.

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FOTO: CIK Die Schwenktec­hnik des Dreirads ist hochmodern.

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