Geteiltes Echo nach dem Dieselgipfel
Bund stellt weitere 500 Millionen Euro zur Verfügung – Zweifel an der Wirksamkeit
BERLIN/STUTTGART - Der Bund hat den Städten im Kampf gegen zu schmutzige Luft durch Dieselautos mehr Geld in Aussicht gestellt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte am Montag in Berlin die Aufstockung eines Fonds um 500 Millionen Euro auf dann eine Milliarde Euro an. Daraus sollen Maßnahmen für saubere Luft finanziert werden. BadenWürttembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete das Treffen der Kanzlerin mit Ministerpräsidenten und Stadtoberhäuptern als sehr wertvoll. Es seien Lösungsansätze deutlich geworden. Das Ergebnis gebe nun Aufgaben für einen nächsten Gipfel nach der Bundestagswahl vor, sagte Kretschmann.
Beim Dieselgipfel des Bundes Anfang August hatten Politik und Autobranche einen Fonds angekündigt, den die Autokonzerne mit 250 Millionen Euro speisen sollen. Diese Zahlungen sind aber teils noch unsicher. Der Bund stockt seinen Beitrag nun von bisher 250 Millionen um weitere 500 Millionen Euro auf. Merkel sagte, gemeinsames Ziel sei es, Dieselfahrverbote in den Städten zu vermeiden. Konkrete Maßnahmen wurden im Kanzleramt allerdings nicht beschlossen.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) lobte das Treffen. „Es wurde ernsthaft geredet, das ist drei Wochen vor der Bundestagswahl nicht selbstverständlich“, sagte er zur „Schwäbischen Zeitung“. Sein Münchner Amtskollege Dieter Reiter (SPD), der selbst Fahrverbote für Bayerns Landeshauptstadt in Erwägung gezogen hatte, zeigte sich indes unzufrieden mit den Ergebnissen. Das zusätzliche Förderpaket der Bundesregierung sei „ein gutes Zeichen“, werde aber die „notwendige kurzfristige Verringerung der Schadstoffwerte“nicht bewirken können.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zeigte sich ebenfalls skeptisch. Er schlug zur Verbesserung der Luft ein Förderprogramm für Pedelecs vor. Wer mit einem Dieselauto in Städte mit schmutziger Luft pendle, solle 50 Prozent Zuschuss beim Kauf eines Pedelecs bekommen, forderte er am Montag in einem Facebook-Video.
BERLIN - Mehr als ein Zeichen ist es erstmal nicht. Aber die Botschaft erscheint deutlich: Die Politik krempelt die Ärmel hoch, damit es nicht zu Fahrverboten für Diesel-Pkw kommt. 500 Millionen Euro zahlt die Bundesregierung jetzt zusätzlich in einen Mobilitätsfonds ein, damit Städte beispielsweise schneller Elektrobusse kaufen können. Das Geld aus dem laufenden Haushalt ist sofort da. Das haben die Oberbürgermeister von 23 Kommunen, die Ministerpräsidenten von neun Bundesländern und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag beschlossen.
Damit steht insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung. Jeweils 250 Millionen sagten der Bund und die Autoindustrie bereits beim Dieselgipfel am 2. August zu. Nun legt die Bundesregierung nochmal 500 Millionen Euro drauf. Merkel will außerdem die Autohersteller um weitere Mittel bitten. Mit dem Geld sollen Stadtverwaltungen die Belastung der Bürger mit Luftschadstoffen verringern. Vor allem geht es darum, abgasreduzierte Fahrzeuge für öffentliche Fuhrparks anzuschaffen und beispielsweise die Straßenbahn auszubauen.
Das Eine-Milliarde-Programm gilt grundsätzlich für alle Städte, in denen die Grenzwerte überschritten werden, sagte Kanzlerin Merkel. Augenblicklich sind das etwa 70, darunter Stuttgart, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, München und Frankfurt am Main.
Klagen in 60 Städten
Kanzlerin Merkel sagte es so: „Wir wollen alles denkbar Mögliche unternehmen, um pauschale Fahrverbote zu vermeiden.“Wegen zu hoher Belastung mit Stickoxiden aus Dieselfahrzeugen, die die Grenzwerte deutlich übersteigen, haben in einigen Städten Anwohner und Umweltorganisationen Klagen eingereicht. Die Deutsche Umwelthilfe kündigt an, solche Verfahren in rund 60 Kommunen voranzutreiben.
Wenn Gerichte daraufhin Fahrverbote verhängten, käme dies einer „Enteignung“der Autofahrer gleich, so Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Unter anderem mit den nun beschlossenen Maßnahmen hoffen die Stadtverwaltungen jedoch, die Gerichte milde zu stimmen. Ob das funktioniert, ist unklar.
Der grüne Umweltpolitiker Oliver Krischer hat ausgerechnet, dass eine Milliarde Euro für den Ausbau des Straßenbahnnetzes um höchstens 100 Kilometer reichten – zu wenig, um in den 70 besonders betroffenen Städten wirklich etwas zu ändern. „Meine Hoffnung, dass die Maßnahmen etwas bringen, ist gering“, sagte auch Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD), „das eigentliche Problem liegt im Individualverkehr.“Die Autoindustrie müsse den Stickoxid-Ausstoß der Diesel-Pkw verringern. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte deshalb die Einführung der „blauen Plakette“, damit nur noch emissionsarme Fahrzeuge in die Innenstädte fahren dürften. Davon verspricht er sich einen starken Anreiz für die Fahrzeughersteller, schneller zu handeln. Beim ersten Dieselgipfel Anfang August sagten die deutschen Autohersteller zu, die Abgase alter Diesel mit kostenloser neuer MotorSoftware sauberer zu machen. Außerdem zahlen die Hersteller Prämien an Dieselfahrer, die ihren Wagen abgeben und einen neuen kaufen. Konkrete Maßnahmen wurden beim Dieselgipfel am Montag nicht beschlossen. Es gab keine genauen Beschlüsse für einzelne Maßnahmen, sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Das seien Aufgaben für das nächste Treffen im Herbst, so Winfried Kretschmann.
Vereinbart wurde eine neue Koordinierungsstelle, bei der sich Kommunen mit Projekten um die zusätzlichen Fördermittel bewerben können. Als Beispiel nannte NRWMinisterpräsident Armin Laschet (CDU), Dieselbusse mit besseren Filtern auszustatten.
Unter anderem Dortmund unternimmt besondere Anstrengungen, um den elektrischen Verkehr auszubauen. Die Stadt hat beschlossen, 20 Prozent des städtischen Fuhrparks zu elektrifizieren. Derzeit fahren bereits 27 öffentliche E-Autos, acht weitere kommen bald.
In Regensburg gibt es ein Programm, dass sich auf elektrische Taxis und ein umfangreiches Netz von Ladesäulen für Pkw konzentriert.