Heimspiel für Schlecker
Zeugenaussage von ehemaliger Sekretärin stützt Ehinger Drogeriemarktkönig
EHINGEN - Ganz in schwarz gekleidet sitzt Anton Schlecker am Montag an einem ungewöhnlichen Ort in Ehingen. Der Prozess gegen den ehemaligen Drogeriemarktkönig ist in den kleinen Saal der Lindenhalle verlegt worden, weil die Zeugin, Schleckers ehemalige Sekretärin und Assistentin der Geschäftsleitung, im Rollstuhl sitzt und nicht zum Landgericht nach Stuttgart kommen konnte. Dort, wo eigentlich die Fasnet und andere kulturelle Veranstaltungen gefeiert werden, wird nun dem berühmtesten Sohn der Stadt und seinen beiden Kindern der Prozess gemacht. Anton Schlecker muss sich wegen vorsätzlichen Bankrotts vor Gericht verantworten, Meike und Lars wegen Beihilfe. Der 72-Jährige soll sein Vermögen auf illegale Weise vor der Pleite vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt und Millionen beiseite geschafft haben.
Anton Schleckers Blick geht meistens starr ins Leere. Ab und an unterhält sich der Ehinger mit einem seiner Anwälte und hört sich an, was seine ehemalige Sekretärin dem Gericht zu erzählen hat. Im Jahr 1994, quasi zur Blütezeit des Drogerieimperiums, ist diese in das Unternehmen gekommen. Schnell hat sie sich als Springerin in den Verkaufsstellen zur Assistentin hochgearbeitet, hat diverse Schlecker-Filialen betreut und wurde Anfang August 1995 mit dem Sekretariat der Familie Schlecker beauftragt. „Ich hatte unterschiedliche Aufgaben. Ich musste die Organisation machen, die Terminplanung, die Reiseplanungen der Familie und die Nachbearbeitung der Touren der Familie durch die einzelnen Filialen“, erzählt die Sekretärin im Zeugenstand. Ebenso musste die Frau Besprechungen mit den Schlecker-Direktoren vorbereiten. „Anfangs habe ich nur für das Ehepaar Anton und Christa Schlecker gearbeitet, später, ab 1999, auch für die Kinder Lars und Meike“, erzählt die Zeugin.
Anton Schlecker hatte das Sagen
Während sich Anton hauptsächlich um die Verwaltung, die Finanzen und die Expansion des Unternehmens gekümmert hätte, habe Christa Schlecker den Vertrieb, den Einkauf und die Logistik verantwortet. Lars und Meike, so die Sekretärin, hätten sich meist um Schlecker-Homeshopping und um die Versandapotheke Vitalsana gekümmert. „Es gab regelmäßige Besprechungen mit den Schlecker-Direktoren. Zudem hat Anton Schlecker fast täglich diverse Umsatzzahlen auf den Tisch bekommen“, berichtet die Zeugin über ihre Arbeit in der Chefetage in Ehingen. Wöchentlich seien Anton und Christa Schlecker und später auch die Kinder Lars und Meike freitags und samstags auf Tour gegangen, um sich in den Filialen in Deutschland und Europa umzuschauen. „Es wurden Missstände notiert, aber auch positive Dinge“, so die Zeugin. Zudem habe Anton Schlecker täglich von ihr die Umsatzzahlen aus den SB-Warenhäusern bekommen, die bis zum Jahr 2007 steigend, danach „gleichbleibend oder weniger wurden“. Auf die Frage des Richters Roderich Martis, welche Reaktion Anton Schlecker gezeigt habe, als die Zahlen zurückgingen, antworte die Sekretärin: „Wir müssen den Umsatz wieder steigern.“Ebenso bestätigte die Frau, dass Entscheidungen zwar im Familienrat besprochen wurden, „ausschlaggebend aber immer das Wort von Herrn Schlecker war“.
Besonders spannend fand Richter Roderich Martis den Umstand, dass Schlecker für seine Kinder Lars und Meike sowie deren Familien samt Kindermädchen im Dezember 2011 eine Reise nach Antigua (Karibik) finanziert haben soll, weil Schlecker zu diesem Zeitpunkt bereits ahnen konnte, dass sein Unternehmen zahlungsunfähig ist. „Die Familie hat hin und wieder zusammen Reisen unternommen. Mindestens ein Mal im Jahr“, sagt die Sekretärin und stellt damit klar, dass dies nichts ungewöhnliches gewesen sei.
Auch nicht ungewöhnlich sei es gewesen, dass bei Schleckers nahezu täglich Akten geschreddert wurden, wie Richter Roderich Martis wissen wollte. „Geschreddert wurde bei uns immer. Es handelte sich aber immer um Aufräumaktionen von Papieren. Eine generelle Schredderaktion hat es aber nicht gegeben.“Die Staatsanwaltschaft befragte die Sekretärin zudem, wann sie die ersten Anzeichen einer Krise gespürt habe. „Als Berater in unser Haus kamen, war das ungewöhnlich. Allgemein war dadurch aber ein Aufwärtstrend zu spüren. Anton Schlecker hat nie von einer Insolvenz gesprochen und als es dann soweit war, hat die Familie in der Insolvenz eine Chance gesehen, das Unternehmen zu retten.“