Zwischen Philosophie und Hausarbeit
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz referiert die Wangener Pfarrhaushälterin Maria Knöpfler
WANGEN - Maria Knöpfler, jener „großen Wangenerin“, widmete Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ihren diesjährigen Vortrag in der Veranstaltungsreihe „Lebendiges Wort“der katholischen Seelsorgeeinheit. Rund 30 Wangener und eine 17-köpfige Jugendgruppe aus Mooshausen, wo Knöpfler lange als Pfarrhaushälterin gewirkt hatte, hat die Geschichte der Müllerstochter kürzlich in den Gemeindesaal von Sankt Martin gelockt. Anlass war Knöpflers 90. Todestag am 17. August.
„An drei Punkten in Wangen ist Maria Knöpfler heute noch präsent“, wusste Josef Fussenegger, Vorsitzender des Ausschusses für Erwachsenenbildung in der Seelsorgeeinheit Wangen, den Abend zu eröffnen. Gemeint sind mit den drei Punkten die Maria-Knöpfler-Straße in der Haid, die elterliche Argenmühle in Beutelsau und ein Gemälde von Gebhard Fugel in der Spitalkirche, das Knöpfler als heilige Cäcilie porträtiert.
Die Referentin Gerl-Falkovitz nutzte als Leitfaden für ihren Vortrag einen liedhaften Nachruf auf Maria Knöpfler, den Romano Guardini 1931 verfasste. Im Nachruf enthalten ist auch eine Beschreibung Wangens als „schöne Allgäustadt (…) als ob Norden und Süden sich berühren“. Guardini trat über seinen Freund Josef Weiger, der damals Vikar in Wangen und später Pfarrer in Mooshausen war, mit Maria Knöpfler in Kontakt. Die Müllerstochter hatte zu der Zeit noch im heimatlichen Anwesen in Beutelsau gelebt und gearbeitet, ehe sie mit Weiger nach Mooshausen zog und seine Haushälterin wurde. „Unbestritten war sie jedoch immer mehr als nur Haushälterin“, stellte die Gerl-Falkovitz klar.
Sie las anspruchsvolle Literatur
Geboren am 20. September 1881, sei Maria Theresa Knöpfler immer wissbegierig gewesen und hätte schon früh anspruchsvolle Literatur von Philosophen wie Nietzsche und Schoppenhauer gelesen. „Das sind Texte, die deutlich über dem Bildungsstandard der Volksschülerin lagen“, so die Referentin. Ein besonderes Interesse habe sie für Sprache gehabt. So brachte sich die Müllerstochter beispielsweise das schwere viktorianische Englisch selbst bei, um – wohlgemerkt abends nach schwerer Hausarbeit – Texte von John Henry Newman in glänzendes Deutsch zu übersetzen.
„Newman war der große – unernannte – Kirchenvater des 19. und 20. Jahrhunderts. Er regte nicht nur in seiner ursprünglichen, anglikanischen Kirche, sondern auch in der katholischen, zu der er später konvertierte, vieles an“, erklärte GerlFalkovitz. Wenngleich Newman erst sehr spät zum Kardinal erhoben und auch nach seinem Übertritt nicht mit offenen Armen in der römischen Kirche empfangen worden sei. Die Professorin spekuliert: „Man hielt ihn wohl lange Jahre für ein Art anglikanisches Unterseeboot.“Von Newman übersetzte Knöpfler unter anderem einen Aufsatz über Philipp Neri, der im 16. Jahrhundert in Rom Oratorien (eine Art Priester-Wohngemeinschaft) begründete. Die Referentin dazu: „Durch Knöpflers Übersetzung blühte dann auch in Deutschland die Oratoriumsidee auf.“
Knöpflers Leben aber sei geprägt gewesen von „gegeneinanderstoßenden Wirklichkeiten“. Auch Guardini hielt in seinem Nachruf fest: „Sie ist eine heimliche Fürstin und hat immer doch so hart um ihre Existenz bangen müssen.“Dies beschreibe die Spannung, zwischen vielerlei häuslichen Arbeiten und dem Ver langen nach Geistlichem und Glauben. Unter jenem Spagat litt woh vor allem ihre Gesundheit: Knöpfler starb am 1927 mit nur 45 Jahren an den Folgen ihrer vierten Blinddarm entzündung.
Ihr Chef machte sich Vorwürfe
An Knöpflers frühem Tod rieb sich eine Zuhörerin des Vortrags und hak te bei der Referentin nach: „Das war doch nicht nötig, dass sie so jung starb, und warum stand sie denn im mer im Schatten? Wenn die Männer um sie herum Knöpfler so gern gehabt hätten, wie sie es sagen, dann hätten sie sie halt nicht so hart arbei ten lassen sollen.“Gerl-Falovitz ant wortete, dass Knöpfler bis heute im Schatten stünde und dass sie sich das schwere Schuften auch nicht erklären könne. „Was ich ihnen aber sicher sagen kann ist, dass sich ihr ,Chef’, Pfarrer Josef Weiger, schwere Vorwürfe wegen Knöpflers Tod und ihrer Überarbeitung gemacht hat.
Für Romano Guardini, den langjährigen Weggefährten von Maria Knöpfler, wird Reinhard Kardina Marx am 16. Dezember in München das Seligsprechungsverfahren eröff nen.