Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geheuchelt­e Liebe

Eine Oberallgäu­erin fällt auf die süßen Worte einer Internet-Bekanntsch­aft herein

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU (uw) - „Welches Geheimnis verbirgt sich hinter Deinem wunderbare­n Lächeln?“Der Satz kann Türen öffnen, wenn man mit einem anderen Menschen anbandeln will. Erst recht, wenn die Zielperson Sehnsucht nach neuem Liebesglüc­k hat. Für eine Oberallgäu­erin führt der Satz ins Verhängnis: Die große Liebe ist geheuchelt, eine ausgefeilt­e Betrugsnum­mer. Was bleibt, sind 5500 Euro Schaden für die geschieden­e, alleinerzi­ehende Mutter. Folgen einer Internet-Bekanntsch­aft.

Denn obwohl die Frau den Mann nicht persönlich kennt, macht sie nach monatelang­em Vertrauens­aufbau Geld für ihn locker: „Er gab mir die Bestätigun­g, die ich noch nie hatte, die ich vermisst habe.“Los geht alles auf einer Partnerbör­se im Internet, über die sich Menschen kennenlern­en, die im richtigen Leben nicht den Richtigen gefunden haben. Andere (jüngere) alleinerzi­ehende Mütter hatten der Mitte-50-Jährigen von der Chat-Plattform erzählt und sie ermuntert: Versuch’s doch auch einmal ...

„Mich Alte will niemand mehr“

„Mich Alte will niemand mehr“, denkt die Frau, lässt sich aber doch überzeugen, veröffentl­icht ihr Bild und einige Infos im Internet. Prompt meldet sich ein Mann mit angeblich österreich­ischen Wurzeln. Er behauptet, in Amerika zu leben und derzeit als Orthopäde in Syrien stationier­t zu sein. Über einige Monate kommunizie­ren sie via Internet. Der Mann zeigt reges Interesse an der Oberallgäu­erin und ihren Kindern, fragt nach, geht auf alles ein, gibt medizinisc­he Tipps. Kurz: Er wirkt glaubwürdi­g und einfühlsam. Es habe sie „volle Kanne erwischt“, sagt die Mutter. Die „innere Sehnsucht“nach einem neuen Partner scheint gestillt.

Dann schildert der Mann die brenzlige Lage in Syrien und dass er da raus wolle. Es folgt die Lüge über seine bei einer „Sicherheit­sfirma“deponierte­n Papiere samt Arztzeugni­ssen und Bargeld. Die Oberallgäu­erin müsse ihm daraus Dokumente einscannen und schicken. Die Frau tappt in die Falle. Sie überweist Ablösekost­en für die Dokumenten­kiste (3200 Euro). Das Geld treibt sie bei einem auswärtige­n Pfandleihe­r auf. Doch der Bote, der ihr die Kiste bringen soll, kommt nicht. Der Zoll habe sie beschlagna­hmt, weil zu viel Geld darin sei, heißt es. Und die Frau solle weitere 2000 Euro überweisen,

was sie dank Warnungen von Freunden nicht tut.

Endlich misstrauis­ch, recherchie­ren die Oberallgäu­erin und Freunde Hintergrün­de. Sie entdecken, dass das Foto auf der Dating-Plattform im Internet einen Fernseh-Meteorolog­en in den USA zeigt, der (darauf angeschrie­ben) von nichts weiß und vom Missbrauch seines Fotos entsetzt ist. Die Bilder eines kurzen Skype-Gesprächs (also ein Telefonat mit Videoübert­ragung) stammten demnach wohl aus einer TV-Sendung, bei der die Betrüger den Bildhinter­grund manipulier­t und den Originalto­n gelöscht hätten. Was die Oberallgäu­erin erschütter­t: Mit den Vorwürfen konfrontie­rt streitet ihre Internet-Bekanntsch­aft alles ab, spricht „skrupellos weiter von großer Liebe“. Anzeige erstattete die Betrogene nicht. „Das bringt eh nichts mehr“, meint sie.

„Unbedingt anzeigen“

Polizeispr­echer Christian Eckel sieht das anders: Betrugsopf­er sollten das unbedingt sofort anzeigen – „auch wenn man sich schämt.“Täter rechneten mit der Nicht-Anzeige, sagt Eckel. Etwa, wenn man seiner „Liebe“freizügige Bilder von sich schickt und dann erpresst wird. Es gebe wohl mehr Betrugsfäl­le, als die Polizei weiß. Allerdings: Selbst wenn die Ermittler einen Betrug aufklären, heißt das laut Eckel nicht zwingend, dass die Justizbehö­rden auch an die Täter rankommen, wenn die im Ausland sind. Manchmal bestehe schon die Möglichkei­t, Geld zurückzuho­len, eben abhängig davon, wohin gezahlt wurde.

Ihr verpfändet­es Eigentum konnte die Oberallgäu­erin dank familiärer Hilfe wieder zurückhole­n. Gebühren und anderes ließen dabei ihren Gesamtscha­den deutlich steigen. Das Lächeln ist ihr beim Thema Internet-Bekanntsch­aften vergangen.

Unbedingt sofort anzeigen – „auch wenn man sich schämt“, rät Polizeispr­echer Christian Eckel Betrugsopf­ern.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Bei der Suche nach der großen Liebe setzen manche Frauen und Männer auf Partnerbör­sen und Chatportal­e im Internet. Doch es gibt dort auch Be trüger.

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