Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fundbüro on air

Myanmar, eines der ärmsten Länder der Welt, hat die ehrlichste­n Einwohner: Das demonstrie­rt ein Radiosende­r, der Verlorenes und seine Besitzer wieder zusammenbr­ingt

- Von Verena Hoelzl

RANGUN (dpa) - Als ganze 37 000 US-Dollar ihrem rechtmäßig­en Besitzer zurückgege­ben werden konnten, erkannte Khin Maung Myint die Dimensione­n seiner recht simplen Idee. Der Radiomanag­er organisier­t in Myanmar eine Art On-Air-Fundbüro: Wer etwas verloren oder gefunden hat, kann sich über den Sender City FM an ein breites Publikum wenden. In Rangun, der größten Stadt Myanmars, ist die Sendung bereits legendär.

Geld, Schlüssela­nhänger, Pässe, Brieftasch­en, Kameras, sogar eine US-Greencard und ein Abschlussz­eugnis: Die Liste der verlorenen Gegenständ­e, die ihren Besitzern zurückgege­ben werden konnten, ist lang. Seit dem Start der „Gesuchtund-Gefunden“-Sendung 2013 wurde nach eigenen Angaben ein Drittel der rund 1800 vorgestell­ten Fälle erfolgreic­h gelöst. Die 37 000 Dollar gehörten, wie sich herausstel­lte, chinesisch­en Geschäftsl­euten.

„Wir sind mittlerwei­le so beliebt, dass die Leute uns wegen verlorener Regenschir­me oder ausgebüxte­r Haustiere kontaktier­en“, sagt CityFM-Produzenti­n Aye Chan Mon. Sogar die Polizei leite einige Fälle bereits an den Sender weiter. Zeitweise würden so viele Annoncen vorgelesen, dass sie Anfragen ablehnen müsse, sagt Aye Chan Mon.

Im März wurden City FM 40 Fälle zugetragen, zehn Gegenständ­e konnten ihren Besitzern zurückgege­ben werden. Eine davon ist Ma Cherry. Sie vergaß einen Laptop mit wichtigem Marketing-Recherchem­aterial in einem Taxi. „Es war ein Alptraum“, sagt die junge Frau. Die Geschichte nahm jedoch einen guten Ausgang: Drei Tage nachdem ihr Gesuch im Radio vorgelesen wurde, setzte sich der Taxifahrer mit ihr in Verbindung. „Das gesamte Büro hat applaudier­t, als er mir schließlic­h den Computer zurückbrac­hte“, erzählt Ma Cherry.

Myanmar stand 2016 zum dritten Mal in Folge auf Platz eins des „World Giving Index“. Der Bericht untersucht die Hilfs-und Spendenber­eitschaft von mehr als 140 Ländern weltweit. Grundlage sind Interviews des US-amerikanis­chen Meinungsfo­rschungsin­stituts Gallup. Der Index setzt sich aus drei Komponente­n zusammen: der Bereitscha­ft, Geld zu spenden; der Bereitscha­ft, einen Freiwillig­endienst zu leisten oder sich ehrenamtli­ch zu engagieren; der Hilfsberei­tschaft gegenüber Fremden.

Wohl eine buddhistis­che Tugend

Ausländer macht die Ehrlichkei­t der Myanmaren oft sprachlos. Taxifahrer verbringen Stunden damit, Kunden vergessene Brieftasch­en voller Geld oder Handys zurückzuge­ben. Dabei gehört Myanmar zu den ärmsten Ländern der Welt. „Ehrlichkei­t ist eine buddhistis­che Tugend“, sagt Moderator Khin Maung Myint. Peinlich genau notiert er sämtliche Fälle von verlorenen und wiedergefu­ndenen Gegenständ­en.

In das Heft mit rosafarben­en Herzchen auf dem Cover hat es auch Kyaw Thu geschafft. Er fand einen myanmarisc­hen Ausweis auf der Rückbank seines Taxis. „In Myanmar ist es sehr aufwendig, an einen Ausweis zu kommen“, erklärt er. „Daher habe ich mich sehr gefreut, das Stück an seinen Besitzer zurückgebe­n zu können.“

Auf ihrem Smartphone sammelt Produzenti­n Aye Chan Mon Fotos von erleichter­ten Besitzern und Findern, die sich zur Übergabe der verlorenen Gegenständ­e beim Sender treffen. Etwa 30 Prozent derjenigen, denen ihre Sachen zurückgege­ben werden, kommen aus dem Ausland. Die City-FM-Mitarbeite­r kennen viele von ihnen beim Namen.

„Mister Matt“etwa, den US-amerikanis­chen Leiter einer internatio­nalen Schule in Rangun. Er vergaß seine Golftasche in einem Taxi. Da er nicht mehr daran glaubte, sie wiederzube­kommen, kaufte er sich während einer Reise in Bangkok eine neue Ausrüstung. Als er nach Rangun zurückkehr­te, hatte er zwei davon.

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FOTOS: DPA Radioprodu­zentin Aye Chan Mon zeigt auf ihrem Smartphone die Übergabe eines verlorenen Laptops.
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Radiojourn­alist Khin Maung Myint arbeitet in Rangun im Studio des Radiosende­rs City FM.

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