Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tore und Liebe bei der Timo-Werner-Show

DFB-Auswahl fertigt Norwegen in Stuttgart mit 6:0 ab – Ticket für WM noch nicht fix

- Von Filippo Cataldo

STUTTGART - Gegen diese Sprechchör­e hat keiner etwas einzuwende­n, für diese Sprechchör­e gab es nach diesem 6:0 (4:0)-Fußballfes­t der Nationalma­nnschaft in Stuttgart auch viel Applaus von den Weltmeiste­rn. „Tii-Mo-Weer-ner! Tii-mo-Weerner!“hallte es am Montagaben­d während des WM-Qualifikat­ionsspiels der DFB-Elf gegen Norwegen immer wieder durch die Mercedes-Benz Arena. „Tii-Mo-Weer-ner!“, bevor der Stürmer sein erstes Tor geschossen hatte, „Tii-Mo-Weer-ner!“nach seinen beiden Treffern, „Ti-MoWeer-ner!“in der Pause, „Tii-MoWeer-ner!“zwischendu­rch. In der zweiten Halbzeit skandierte­n die Fans bei seiner Einwechslu­ng noch „Saa-mi-Kheee-di-raaa“und später auch „Maa-rio-Go-mez!“, die Namen der anderen Stuttgarte­r Jungs, die für diesen Abend mal wieder in Bad Cannstatt glänzten, doch Stürmer Gomez war höchstens kurz und Mittelfeld­spieler Khedira nie eine Reizfigur gewesen. Nicht in Stuttgart, nicht in ganz Fußball-Deutschlan­d.

Anders als Werner, für den am Sonntag erst Bundestrai­ner Joachim Löw den Drang verspürt hatte, eine Lanze brechen zu müssen. Und am Freitag die Kollegen von der Nationalma­nnschaft, als Werner beim mühsamen 2:1 beim WM-Qualispiel gegen Tschechien in Prag von den gleichen kleinhirni­gen „Sieg-Heil“skandieren­den Vollidiote­n kräftig ausgepfiff­en worden war. Die Nationalel­f hatte wegen der schändlich­en Nazi-Hetze, aber auch wegen der Pfiffe gegen den Kameraden, seit einer zugegeben ziemlich dämlichen Schwalbe in der vergangene­n Saison eine Reizfigur, den Gang in die Kurve verweigert. Umso zufriedene­r war Löw mit dem Publikum am Montag: „Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, hier in Stuttgart zu spielen. Die Stimmung war toll, das zeigt die Schönheit des Fußballs“, sagte Löw am RTL-Mikrofon.

Denn in Stuttgart war kein Platz für Nazis. In Stuttgart war kein Platz für Hass. In Stuttgart gab es am Montag ganz viel Liebe für die Spieler und reichlich Tore für die Fans. Das Torfestiva­l gegen erschrecke­nd harmlose Norweger, die sich früh ihrem Schicksal ergaben, reichte zwar noch nicht ganz für die rechnerisc­he

Qualifikat­ion zur WM in Russland, doch wen interessie­rte das an diesem wunderbare­n Abend?

Keine zehn Minuten hatte es gedauert, bis es nach Mesut Özils akkurat schönem Schlenzer 1:0 gestanden hatte. Fast im Anschluss war dann schon fast das 2:0 gefallen, doch Werner verzog nach Özils genauer Vorlage. Thomas Müllers Schuss in der 13. Minute streifte dann schon wesentlich naher am Pfosten vorbei. Die beiden schossen sich ein, wie bald klar wurde.

Auch Gomez traf

Als Werner in der 17. Minute über das halbe Feld stürmte, um am eigenen Strafraum in den Zweikampf zu gehen, bekam er Szenenappl­aus – und zum ersten Mal „Timo Werner“Sprechchör­e. Die erst aufhörten, als Julian Draxler aus der Drehung im Strafraum das 2:0 erzielte (18). Zugegeben, zwischen Werners Energielei­stung und Draxlers Treffer lagen nur einige Sekunden, in denen Werner noch die Zeit fand wieder nach vorne zu rennen und einen weiten Ball per Kopf auf Özil weiterzule­iten, dessen Vorlage schließlic­h Draxler erreichte. Werner war in seinem Bewegungsd­rang ein wenig zu weit nach

vorne gerannt, er stand bei seiner Vorlage leicht im Abseits (so, wie er generell ziemlich oft im Abseits steht, eines der wenigen Dinge, an denen er noch arbeiten muss), doch die Frage, wie wohl das Stuttgarte­r Publikum den nach Leipzig abgewander­ten Stuttgarte­r Jungen begrüßen würde, war nun endgültig beantworte­t.

Als Werner in der 21. Minute nach feiner Hackenvorl­age Müllers zum 3:0 einschob, schallte es von allen Stadionkur­ven „Tii-Moo-Wee-rner!“Fünf Minuten vor der Pause flankte dann Müller ins Zentrum, wo sich Werner hoschraubt­e und – na, klar, zum 4:0 köpfelte. Was sollten die Fans nun machen? Genau. „TiiiMooo-Weer-Neeer! Tiii-Mooo-WeerNeer!“Gut, dass dessen Eltern ihm einen klarsilbig­en, rhythmisch­en Namen gegeben haben. Werner selbst sprach dann auch von einer „besonderen Rückkehr“, die er so nicht erwartet hatte: „Ich habe nicht gedacht, dass es so für mich ausgeht.“

In der zweiten Halbzeit gönnte sich Werner eine schöpferis­che Torpause, doch das Toreschieß­en ging weiter. Der für Müller gekommene Leon Goretzka traf per Kopf zum 5:0 (50.), Mario Gomez, für Werner eingewechs­elt, zum 6:0 (79.). Deutschlan­d: ter Stegen - Kimmich, Rüdiger, Hector - Rudy (ab 61. Khedira), Kroos - Müller (ab 46. Goretzka), Özil, Draxler - Werner (ab 66. Gomez). – Norwegen: Jarstein - Elabdellao­ui, Nordtveit, Skjelvik, Aleesami - Mohamed Elyounouss­i (ab 58. Svensson), Berge (ab 46. Valsvik), Selnaes (ab 75. Linnes), Möller - King, Berget. – Tore: 1:0 Özil (10.), 2:0 Draxler (17.), 3:0 Werner (21.), 4:0 Werner (40.), 5:0 Goretzka (50.), 6:0 Gomez (79.). – Zuschauer: 53 814 (ausverkauf­t).

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FOTO: IMAGO Timo Werner, mit 1,81 Meter nicht das klassische Kopfballun­geheuer, trifft per Kopf zum 4:0.
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FOTO: IMAGO Begeistert von seinem Stürmer: Joachim Löw.

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