Schwäbische Zeitung (Wangen)

Als Mönch Martin in Memmingen weilte

Auf seiner Romreise soll Luther in städtische­n Klostermau­ern zu Gast gewesen sein

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGEN/OTTOBEUREN Priester sollen täglich eine Messe halten – auch auf Reisen. „In früheren Zeiten war man dazu verpflicht­et. Heute wird es einem wärmstens empfohlen“, sagt der Memminger Dekan Ludwig Waldmüller. Ein Grundsatz, der schon zu Zeiten Martin Luthers galt. So soll dieser, damals noch als katholisch­er Mönch, auf seiner Reise nach Rom in Memmingen Station gemacht und die Messe gefeiert haben. Nur beim sogenannte­n „Luther-Kelch“, den er dabei verwendet haben soll, ist genaues Hinschauen gefragt, sagt Waldmüller.

Vor seiner Zeit als Reformator gehörte Luther dem Augustiner-Orden an – „es ist also sehr wahrschein­lich, dass er hier in St. Johann war“, sagt Waldmüller. Denn wo heute die Kirche zu finden ist, stand zu Zeiten von Luthers Rom-Reise – verschiede­ne Datierunge­n geben die Jahre 1510 oder 1511 an – ein kleines Kloster von Augustiner-Eremiten. An Prior Georg Spenlein schreibt Luther im April 1516 einen freundscha­ftlichen Brief, der in einer Abschrift in Memmingen aufbewahrt wird. Es ist daher plausibel, „dass Pater Martin hier übernachte­t und man ihn Messe feiern lässt“, sagt Waldmüller.

Als man ihm 2011 zu Beginn seiner Zeit in Memmingen einen Kelch vorführt mit den Worten „Damit hat hier Martin Luther die Messe gefeiert“, ist ihm „als Historiker“aber klar: Das kann nicht sein. „Man kann das an der verwendete­n Technik erkennen“, sagt der Dekan und deutet auf Gestaltung des Gefäßes und Details wie feine Ziselierun­gen. „Das ist ein neugotisch­er Kelch – ich würde sagen aus dem 19. Jahrhunder­t.“Doch einen geeigneten Verdächtig­en gibt es im massiven Metallschr­ank, der viele, teils aufwendig geschmückt­e Kostbarkei­ten aus verschiede­nen Epochen aufbewahrt: Waldmüller wickelt einen kleinen, vergleichs­weise schlichten Kelch aus einem Tuch. Schwach sind am Fuß noch Spuren des Dengelns zu sehen. Das Gefäß, datiert dem Dekan zufolge ins 15. Jahrhunder­t, ist „definitiv der älteste unserer Kelche und der kostbarste, den wir hier haben“– bis heute wird er verwendet. Ein anderes Stück, das Luther in Memmingen getragen haben soll, ist heuer wegen des Reformatio­nsjubiläum­s selbst viel auf Reisen: die „Luther-Kasel“. Gerade ist das Messgewand ins Kloster Ottobeuren zurückgeke­hrt – tatsächlic­h stammt es aus der fraglichen Zeit, so viel steht laut Klosterarc­hivar Pater Rupert Prusinovsk­y fest.

Auch dafür, wie es nach Ottobeuren gelangte, hat er eine mögliche Erklärung: Demnach besaß sein Kloster ein Haus in Memmingen, etwa gegenüber vom heutigen Bahnhof gelegen. „Das diente als Warenlager oder für Übernachtu­ngen, wenn jemand in die Stadt reisen musste“, erklärt der Archivar. „Und in Kriegszeit­en konnte der Kirchensch­atz dorthin gebracht werden und war hinter Stadtmauer­n geschützt.“ Als im Jahr 1525 Klöster in Memmingen aufgelöst, die Mönche verjagt wurden und die Zerstörung­swut voll ausbrach, brachte man vielleicht Schützensw­ertes wie das Messgewand in das Klosterhau­s, vermutet Pater Rupert. Das Haus selbst wurde im 19. Jahrhunder­t in ein Gefängnis umgewandel­t und in den 1970er-Jahren für den Bau des Maxi-Centers abgerissen.

„Das gilt auf der ganzen Welt“

Mit Ottobeurer Beteiligun­g soll zudem ein Festtag in Luthers Leben stattgefun­den haben. So heißt es laut Pater Rupert in einer Chronik über den Ottobeurer Schneider Alexander Kümmerlin, er habe während seiner Wanderjahr­e bei einem Meister in Wittenberg gearbeitet und für Luthers Heirat mit Katharina von Bora „das Hochzeitsk­leid helfen machen“. Gleich geblieben ist in all der Zeit seither eines: Wenn ein Priester auf Reisen geht, hält er unterwegs die Messe. Waldmüller zieht ein in Latein beschriebe­nes Kärtchen aus seiner Brieftasch­e: das Zelebret. Es besagt, „dass ich Priester bin und die Messe feiern darf und gilt auf der ganzen Welt“.

 ?? FOTO: STADTARCHI­V MEMMINGEN ?? Einst besaß das Ottobeurer Kloster in Memmingen ein Haus, etwa gegenüber vom heutigen Bahnhof. Dort wurden Dinge gelagert und auch Kirchensch­ätze in Kriegszeit­en untergebra­cht. Im 19. Jahrhunder­t wurde das sogenannte „Ottobeurer Haus“in ein Gefängnis...
FOTO: STADTARCHI­V MEMMINGEN Einst besaß das Ottobeurer Kloster in Memmingen ein Haus, etwa gegenüber vom heutigen Bahnhof. Dort wurden Dinge gelagert und auch Kirchensch­ätze in Kriegszeit­en untergebra­cht. Im 19. Jahrhunder­t wurde das sogenannte „Ottobeurer Haus“in ein Gefängnis...

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