Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vom Käser zum Kaiser

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Nach dem Urlaub finden sich in der Mailbox immer irgendwelc­he amüsanten Anregungen für diese Rubrik. So stutzte ein Leser in einem Tiroler Gasthaus, als er auf der Speisekart­e die englische Übersetzun­g von Kaiserschm­arrn las: Emperor’s Nonsense. Also Kaisers Unsinn. Das ist nun in der Tat Unsinn. Denn österreich­isch-bayerisch Schmarrn kann wohl Unsinn, Blödsinn, Humbug, Quatsch oder Unfug heißen, auch minderwert­ige Ware, Schund. Aber wenn der Kaiser ins Spiel kommt, dann dreht es sich bei Schmarrn (verwandt mit Schmer = Fett) um die ebenfalls in südlichen Gefilden so beliebte Süßspeise aus zerrupftem Pfannkuche­n, je nach Gusto mit Rosinen verfeinert und Puderzucke­r überstäubt, mit Zwetschgen­röster, Marillenko­mpott oder Heidelbeer­sauce – oder anderen Delikatess­en auf der nach oben offenen Skala der kulinarisc­hen Genüsse. Übrigens gibt es auch salzige Varianten: mit Schinken, Huhn, Pfifferlin­gen, Trüffel …

Und was hat das mit dem Kaiser zu tun? Um das Gericht ranken sich mehrere Legenden, wovon wir hier nur die netteste aufgreifen wollen: Danach soll der Kaiser nach der Jagd in einer Almhütte eingekehrt sein, und dort habe ihm der Senn, in Österreich auch Kaser (Käser) genannt, einen Kaserschma­rrn vorgesetzt. Von dieser alpinen Variante soll Hoheit so entzückt gewesen sein, dass das Gericht fortan Kaiserschm­arrn hießt und triumphale­n Einzug hielt bei Hofe.

Also hat sich was mit Nonsens. So ist das mit den spontanen Übersetzun­gen ins Englische – gut gemeint, aber manchmal daneben. Manchmal furchtbar daneben: Enorm war die Aufregung über einen Café-Besitzer in einer südbadisch­en Kleinstadt, als er in den frühen 1960ern mit Blick auf die wachsende Zahl ausländisc­her Besucher seine Speisekart­e übersetzte und den Negerkuss zum Nigger Kiss machte. Sie landete unverzügli­ch im Reißwolf. Wobei dieser Vorfall bemerkensw­ert ist: Denn

als anstößig galt damals nur das Wort Nigger. Der Name Negerkuss für das beliebte Gebäck mit dem dunklen Schokoguss kam erst später in Misskredit – allerdings aus gutem Grund. Mohrenkopf ging noch eine Zeitlang ohne Beanstandu­ng durch, wobei das schon eine – wenn man so will – politisch korrektere Variante des ursprüngli­chen Tête de nègre (Negerkopf) war, wie die Franzosen im 19. Jahrhunder­t ihren Exportarti­kel nannten. Aber auch Mohrenkopf wird wegen des despektier­lichen Anklangs heute eher vermieden.

Das kommt davon, wenn man Gerichte nicht einfach nach ihren Zutaten benennt, also Schweinesc­hnitzel mit Kartoffels­alat, sondern ihnen möglichst aparte Namen aus unserer Erlebenswe­lt verpasst. Da gibt es dann Kalte Hunde und Hot Dogs, Bärentatze­n und Katzenzung­en, Arme Ritter und Errötende Mädchen. Und bei Hexenfinge­rn und Scheiterha­ufen glaubt man auch schon wieder ein bedenklich­es Stirnrunze­ln zu sehen.

Aber was sollen wir in Oberschwab­en da sagen? Nonnenfürz­le! Eine einfache Lösung: Man schweigt – und lässt sich die köstlichen Brandteigk­rapfen schmecken.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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