Wangen wünschte keinen Glaubenswechsel
SZ-Serie zur „Blickpunkte-Ausstellung“– Heute: 1517 – Wangen und die Reformation
WANGEN (sz) - Wangen blickt dieses Jahr auf einige Jahrhundertjubiläen seiner Geschichte zurück. Als „Blickpunkte“sind sie noch bis Ende Oktober in einer Ausstellung im Stadtmuseum zu einer Gesamtschau zusammengeführt. Nachdem über einige dieser prägenden Ereignisse der Stadtgeschichte bereits ausführlich berichtet wurde, veröffentlicht die SZ in einer kleinen Serie weitere Wangener „Blickpunkte“aus den 17er-Jahren mit Texten aus dem Stadtarchiv. Heute: 1517 – Wangen und die Reformation.
Als Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirchentüre anschlug, um damit gegen den ausufernden und geschäftsmäßigen Handel mit Ablassbriefen zu wettern, kam jener Disput in Gang, der das Zeitalter der Reformation auslöste und zur Spaltung des westlichen Christentums führte.
Besonders viele Anhänger fand die neue Lehre in den Reichsstädten. Lindau, Isny und Memmingen protestierten im Jahr 1529 gegen den Speyrer Reichstagsabschied, während der Rat in Wangen keinen Glaubenswechsel wünschte. Neben dem lutherischen Protestantismus lagen Städte nördlich des Bodensees im Einflussgebiet der zeitgleichen Kirchenreformationen in der Schweiz. Neben Calvin ist der Züricher Prediger Ulrich Zwingli als der führende Kopf dieser Bewegung zu nennen.
Aus dem Jahr 1530, als die religiösen Auseinandersetzungen in den Städten schon sehr hohe Wogen schlugen, datiert ein besonders aussagekräftiges Wangener Geschichtsdokument. Das Pergament stammt aus dem Bauch des Wetterhahns auf dem Turm der St. Martinskirche und hat dort sogar alle Stadtbrände unbeschadet überstanden. Pfarrer Ulrich Wieser beklagt darin die „tränenreichen Zeit des tobenden Glaubenskrieges“und weiter den „schlimmen lutheranischen, den noch schlimmeren karlstädtischen und ökolampadischen und den allerschlimmsten zwinglianischen Schrecken“. Die Bürger und Herren der Stadt Wangen seien jedoch standhaft bei den Lehren der Heiligen Kirche verblieben. Weder Bilder und Altäre hätten sie entfernt, noch irgendwelche Schriften von einer Urkirche erfunden. Während dieser Glaubenswirren wurde die Stadt das traurige Opfer eines religiös motivierten Brandstifters. 1539 und 1540 verbrannten insgesamt 174 Häuser, das war mehr als zwei Drittel der Stadt.
Treuer Freund Luthers kam aus Wangen
Zu den bekannten Persönlichkeiten der Reformationsgeschichte gehört Dr. Matthäus Ratzeberger (1500 – 1559), der als Arzt, Reformator und treuer Freund Martin Luthers gewirkt hat. Der in Wangen geborene und aufgewachsene Ratzeberger kam mit 16 Jahren nach Wittenberg, an dessen Universität er Medizin studierte. Von 1538 bis 1546 war der auch auf theologischem Gebiet gebildete Mediziner der Leibarzt des kirchenreformfreudigen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen. Ratzebergers Freund Martin Luther widmete ihm die im Jahr 1545 verfasste Schrift „Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet“. Als Luther im darauffolgenden Jahr starb, wurde Matthäus Ratzeberger sogar der Vormund für dessen hinterlassene Kinder. Ratzeberger gilt als erster Biograph des großen Reformators Luther.
Am Donnerstag, 29. September, gibt es im Beiprogramm zur Ausstellung einen Vortrag zu 1517 mit dem Titel „Es ist selten ein Buch ohne Eselsohr“. Manfred Haaga (Isny) mit einer Einführung von Wangens Ortsheimatpfleger Stephan Wiltsche sowie Pfarrer im Ruhestand Johannes Ringwald sprechen ab 19 Uhr in der Eselmühle über die unterschiedliche konfessionelle Entwicklung in den Reichststädten Isny und Wangen im Spiegel ihrer historischen Predigerbibliotheken.