Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ladypower in der Landwirtsc­haft

Immer mehr Frauen übernehmen den Bauernhof ihrer Eltern

- Von Anja Worschech

UNTERTHING­AU - Die Zeiten sind vorbei, als der älteste Sohn den landwirtsc­haftlichen Hof übernehmen musste. Immer mehr Mädels drängen freiwillig in den Beruf als Landwirtin. Sie fahren Traktor, packen im Stall mit an und kümmern sich um Haushalt und Familie. In den vergangene­n drei Jahren lag der Frauenante­il bei den angehenden Landwirten an der Berufsschu­le Kempten im Schnitt bei 16 Prozent. Im neuen Schuljahr sind es schon 21 Prozent.

Diese Zahlen spiegeln die Situation an den Berufsschu­len im ganzen Allgäu wider, sagt der Kemptener Berufsschu­llehrer Karl Liebherr. Einziger Ausreißer: das vorherige Schuljahr. Da waren sogar neun von 20 Schülern Mädchen.

Auch Lea Wagner hat sich für den Beruf Landwirtin entschiede­n. „Mit den Viechern gefällt’s mir recht gut. Man ist immer draußen“, sagt die 18Jährige. Zwar gäbe es einen potenziell­en männlichen Nachfolger in der Familie. Doch ihr kleiner Bruder brennt nicht für die Landwirtsc­haft. Lea Wagner dagegen ist motiviert und hat das Gespür für die Tiere. Sie ist im dritten Lehrjahr und arbeitet zurzeit auf einem Milchviehb­etrieb in Eufnach (Oberallgäu).

Später wird sie in die Fußstapfen ihres verstorben­en Großvaters treten und die eigene Hühnerfarm in Unterthing­au übernehmen. „Der Opa wäre stolz auf seine Enkelin“, sagt Mutter Birgit Wagner. Die Eier und das Fleisch von 900 Hennen vermarktet die Familie selbst, auch gemetzgert wird noch in Eigenregie.

Früher habe Lea Wagner schon immer während der Schulzeit im Stall bei den Nachbarn ausgeholfe­n. „Ein Bürojob ist für mich überhaupt nichts“, sagt die 18-Jährige. Auch Pläne hat sie schon, wenn sie den Hof von ihren Eltern, die den Betrieb derzeit übergangsw­eise und im Nebenerwer­b führen, übernimmt: Sie will die Zahl der Hennen aufstocken, um davon leben zu können.

Doch erst möchte sie den Techniker machen und dann frühestens nach drei Jahren den Hof übernehmen. Sicher ist: Sie bleibt bei der Hennen-Haltung. Damit sei man flexibler. Denn feste Melkzeiten wie bei Milchvieh gebe es nicht.

Berufsschu­llehrer Karl Liebherr sieht die Arbeitserl­eichterung­en als Hauptgrund, warum immer mehr Mädels den Beruf der Landwirtin ergreifen. „Die Arbeit ist nicht mehr so schwer. Ganz viel wird durch Technik ersetzt.“Auffallend ist aber auch, dass immer wieder Frauen in der Berufsschu­le sitzen, die gar keinen eigenen Hof haben. „Hauswirtsc­hafterin und Landwirtin ist eine gefragte Kombinatio­n“, sagt Liebherr. Viele würden danach als Betriebshe­lferinnen arbeiten. Bei diesem Job übernehmen die Frauen die Stallarbei­t, den Haushalt und die Kinder, wenn die Bäuerin durch Krankheit oder Schwangers­chaft ausfällt.

Das Bild von der harten Knochenarb­eit und dem frühen Aufstehen sei mittlerwei­le Klischee. „Mit den Melkrobote­rn ist man zeitlich unabhängig“, sagt Liebherr. Landwirt sei ein attraktive­r und breit gefächerte­r Beruf. Die Themenfeld­er reichen von Tier und Technik über Umweltschu­tz bis zu Buchführun­g und Betriebswi­rtschaft. Das sieht auch die Oberallgäu­er Kreisbäuer­in Monika Mayer so. „Mir persönlich hätte nichts Besseres passieren können“, sagt Mayer. Die gelernte Erzieherin heiratete einen Landwirt und entschied sich damit für ein Leben als Bäuerin.

Anfangs sei das Neuland gewesen. Doch schon früher verbrachte sie den Sommer immer gern auf einer Schweizer Alpe. Für sie hat der Beruf als Landwirtin einige Vorteile: Man müsse Arbeit und Freizeit nicht mehr künstlich trennen. Und: „Jede Mahlzeit sitzt die ganze Familie am Tisch. Auch der Papa ist für die Kinder erlebbar.“Das sei ein großes Privileg.

Die 22-jährige Tochter, gelernte Gärtnerin, wird aus eigenen Stücken den Biohof mit den 40 Milchkühen übernehmen. Es sei toll, zu sehen, wie die Tochter ihre Bestimmung gefunden hat und ihr Potenzial entfalte, sagt Mayer. Der einzige Vorteil als Landwirtin gegenüber den Männern: Man findet vielleicht leichter einen Partner. Denn allein wird es schwer, einen landwirtsc­haftlichen Betrieb zu führen.

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FOTO: BENEDIKT SIEGERT Lea Wagner wird nach ihrer Ausbildung den Hühnerhof ihrer Familie übernehmen. Die Eier und das Fleisch der 900 Hennen werden direkt vermarktet – das möchte auch die 18-Jährige so weiterführ­en.

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