Streit ums Kind: „In der Realität entscheidet die Mutter“
Ravensburger Anwalt Berthold Traub kritisiert die Benachteiligung von Vätern
RAVENSBURG - Getrennt lebende Eltern teilen meist das Sorgerecht für ihre Kinder. In 95 Prozent der Fälle sei das so, sagte jüngst das Ravensburger Jugendamt (die SZ berichtete). Doch mit der Lebenswirklichkeit decke sich das nicht, meint der Familienrechtler Berthold Traub aus Ravensburg. Er sagt: „In der Realität haben die Väter nichts zu melden.“
Vergangene Woche hatte die „Schwäbische Zeitung“darüber berichtet, dass mehrere Väter das Jugendamt beschuldigen, bei Trennungen und Scheidungen stets aufseiten der Mütter zu stehen. Der Kreis hatte das Thema bei einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses aufgegriffen und die Hilfe- und Beratungsangebote der Behörde vorgestellt. Jugendamtsleiter Konrad Gutemann stellte klar: „Das Jugendamt entscheidet nichts.“Heißt: Im Streitfall liegt es letztlich beim Familiengericht, über Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmungsrecht zu urteilen.
Gutemann führte an, dass mittlerweile 95 Prozent der Eltern ein gemeinsames Sorgerecht hätten. Das Wechselmodell, bei dem die Kinder bei beiden Eltern gleichermaßen aufwachsen, würde darüber hinaus immer öfter praktiziert werden. „Vor 20 Jahren war das noch nicht denkbar“, so Gutemann.
„Das Wechselmodell ist auch heute noch exotisch, das macht maximal zehn Prozent der Fälle aus“, weiß Rechtsanwalt Berthold Traub aus Erfahrung. Seit 31 Jahren beschäftigt er sich mit Familienrecht. Er sagt: „Die Mütter bestimmen und die Väter werden zu Besuchsonkeln, die alle zwei Wochen Umgang mit dem Kind haben dürfen.“Wie Traub schildert, liege das Sorgerecht zwar bei beiden Eltern, aber die Mütter hätten das Aufenthaltsbestimmungsrecht. „Wenn die Mutti nach Bremerhaven zieht, kann sie das Kind mitnehmen“, nennt der Ravensburger Anwalt ein Beispiel, „und der Vater kann dann gucken, wie er dorthin kommt.“
Das Wechselmodell werde auf diese Weise unmöglich gemacht. Die gemeinsame Zeit von Vater und Kind schrumpfe auf ein Minimum, eine Entfremdung sei die Folge. Laut Traub sei das eine Form der „Kindesentziehung“. Zumal ihm zufolge hier mit zweierlei Maß gemessen werde: „Von einer Mutter würde niemand verlangen, dass sie 1000 Kilometer fährt, um ihr Kind zu sehen.“
Der Familienrechtler verweist auf den Dreifachmord von Untereschach vor einem Jahr oder das Drama jetzt in Villingendorf. In beiden Fällen ist ein Vater „ausgetickt“und zum Mörder geworden. „Wenn einem Elternteil das Kind entzogen wird, dann werden dabei archaische Strukturen berührt, die nicht jeder steuern kann“, beschreibt Berthold Traub das Phänomen. Das Ganze könne dann einen tragischen Ausgang nehmen.
Die Lösung ist laut Traub eine Änderung der Rechtsprechung. „Es kann nicht sein, dass die Justiz die Väter alleine lässt“, meint er. Daneben müsste es Konsequenzen mit sich bringen, wenn ein Elternteil den Kindesumgang torpediert. Traub plädiert hier für „Geldstrafen, soziale Arbeit oder auch Haft“.