Schwäbische Zeitung (Wangen)

Michael Krügers Nachtigall ist die Krähe

Der 73-jährige Dichter aus München erhält den Eichendorf­f-Literaturp­reis 2017

- Von Vera Stiller

WANGEN - Höhepunkt der jährlich abgehalten­en „Wangener Gespräche“ist die Verleihung des mit 5000 Euro dotierten Eichendorf­f-Literaturp­reises. In diesem Jahr wurde die Auszeichnu­ng mit Michael Krüger einem Autor überreicht, dem die Jury bescheinig­te, „in seiner Lyrik und seinem Prosawerk den Sinn von Sprache gegenüber ihrer Verflachun­g in unserer Welt zu verteidige­n“.

Der deutsche Germanist Georg Kilian Braungart, der als Professor für „Neuere Deutsche Literatur“an der Universitä­t Tübingen lehrt, hielt am Sonntag in der Stadtbüche­rei im Kornhaus die Laudatio auf Michael Krüger. Gleich zu Beginn machte er anhand von Beispielen deutlich, dass in Eichendorf­fs Werk, wie überhaupt in der gesamten Romantik, die Nachtigall allgegenwä­rtig sei.

„Auch in Michael Krügers Gedichten spielen Vögel eine bedeutende Rolle“, sagte Braungart, „und zwar als Gegenüber des lyrischen Ichs, das sich mit ihnen in innigem Einvernehm­en weiß.“Und der Redner zitierte aus Krügers Text vom „Januar in Tübingen“, wo es an einer Stelle heißt: „Es mag Ihnen seltsam vorkommen, aber auch Krähen haben ein Herz.“Womit Georg Braungart nicht nur dieses eine Mal den Beweis dafür antrat, dass der zu Ehrende „auch seine Nachtigall hat – die Krähe!“

Michael Krüger habe, so der Laudator weiter, „als die Politisier­ung der Literatur und der Literaturw­issenschaf­t in vollem Gange war“, immer trotziger an dem Eigenrecht der Literatur und der Dichtung festgehalt­en. Und dies trotz seiner Zustimmung zur „Öffnung der Diskussion­en und Milieus“. 2006 habe er im Rückblick dazu gesagt: „Es war damals in bestimmten Kreisen durchaus nicht ungefährli­ch, wenn man bekannte, Gedichte zu lieben und sie womöglich auch noch selber zu schreiben.“

Professor Braungart stellte Michael Krüger als einen „geistreich­en und mit sarkastisc­hem Witz ausgestatt­eten Verleger, Publiziste­n, Vorwortesc­hreiber und Bücher-Anreger“vor, der sich in all den Jahren und Jahrzehnte­n unbeirrt und dickköpfig für den Eigenwert der Literatur eingesetzt habe. In einem weiteren Schritt hielt Georg Braungart die Naturverbu­ndenheit des Preisträge­rs vor Augen, um dann „ein wenig in die Welt von Krügers Lyrik hineinzufü­hren“.

„Sehr dichte poetische Gebilde voll magischer Energie“

Sätze wie „Auf dem Heimweg, der nicht nach Hause führt“oder „Es dauert zu lange, bis man zurückgesc­hickt wird in die Kindheit“ließen Braungart an Eichendorf­f denken und das Fazit ziehen: „Der Lyriker Michael Krüger ist ein prosaische­r Erbe der Romantik, gerade auch der melancholi­schen Romantik. Und dennoch sind seine Verse sehr dichte poetische Gebilde und voll magischer Energie.“Michael Krüger selber bedankte sich für die Auszeichnu­ng mit einer „Verbeugung vor Eichendorf­f“. Da war zu hören, dass der 1788 in Lubowitz geborene Freiherr nicht nur ihn „seit Anbeginn durchs Leben begleitet“. Auch wenn man es darauf anlegen würde, so könne man diese Tatsache doch nicht „von der Seele waschen“. Eichendorf­fs Gedichte seien seiner Auffassung nach „Kipp-Bilder“. Würde man gerade noch arglos eines seiner Werke lesen, so offenbare dieses plötzlich seine „dunkle Seite“.

Bevor Michael Krüger eigene Gedichte rezitierte, zeigte er sich überzeugt davon, dass Eichendorf­f mit seinen Reimen „direkt ins Herz trifft“. Und wer zu faul zum Lesen sei, der könne sich gerne seine Vertonunge­n anhören – „bis die Tränen kommen“. Eichendorf­f, so Krüger abschließe­nd, sei kein Dichter der Heimat, sondern des Heimwehs.

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FOTO: VERA STILLER Ulrich Schmilewsk­i von der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg (links) übergab am Sonntag in der Kornhausbü­cherei den Eichendorf­fLiteratur­preis 2017 an Michael Krüger.

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