Schwäbische Zeitung (Wangen)

Streit um Fahrverbot­surteil

Grüne und CDU vertagen Entscheidu­ng

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Grüne und CDU haben sich am Freitag nicht einigen können, wie sie auf das Fahrverbot­surteil des Stuttgarte­r Verwaltung­sgerichts reagieren wollen. Die Gespräche zwischen den Spitzen der Koalition um Winfried Kretschman­n (Grüne) und Thomas Strobl (CDU) wurden ohne Ergebnis vertagt.

Die Regierung muss und will aber bis zum 4. Oktober eine Entscheidu­ng treffen, ob sie gegen das Urteil Rechtsmitt­el einlegt und wenn ja, welche. Die Stuttgarte­r Richter hatten den Luftreinha­lteplan für Stuttgart als nicht geeignet betrachtet, um für saubere Luft zu sorgen. Deswegen drohen Fahrverbot­e.

Die CDU plädiert dafür, gegen die Entscheidu­ng in Berufung zu gehen. Dabei werden auch die Tatsachen, die einem Urteil zugrunde liegen, überprüft. Teile der Grünen wollen den Richterspr­uch dagegen umsetzen. Möglich wäre auch Sprungrevi­sion. Dabei wird nur die juristisch­e Bewertung des Falls nochmals beurteilt.

STUTTGART - Sie sollen als Brückenbau­er in Berlin helfen, ein Jamaika-Bündnis zu schmieden, doch nun haben Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) zu Hause in Stuttgart einen ernsthafte­n Koalitions­krach. Am Freitag mussten die Spitzen der Regierungs­parteien ihre Gespräche über das Fahrverbot­s-Urteil des Stuttgarte­r Verwaltung­sgerichts ergebnislo­s vertagen.

Im Verfahren, um das Grüne und CDU derzeit ringen, hatte die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) das Land verklagt. Die Stuttgarte­r Richter gaben der DUH Recht. Sie halten die von Stadt und Land geplanten Maßnahmen für saubere Luft in Stuttgart für unzureiche­nd.

Der Streitpunk­t: Die grüne Landespart­ei und die Fraktion hatten sich deutlich dafür ausgesproc­hen, das Urteil des Gerichts nicht anzufechte­n. Nur so sei die Gesundheit­sgefährdun­g durch dreckige Luft rasch zu beseitigen. Damit hätten ab 2018 Fahrverbot­e gedroht – die aufgrund anderer laufender Prozesse ohnehin im Raum stehen.

Vier Stunden Debatte

Die CDU ist dagegen für eine Berufung. Damit würde das Oberverwal­tungsgeric­ht sowohl die Fakten des Falls als auch die juristisch­e Bewertung prüfen. Das könnte ein bis zwei Jahre dauern. Danach könnte die Sache noch zum Bundesverw­altungsger­icht wandern.

Die Befürworte­r der Berufung hoffen: Das Land könnte die geplanten Maßnahmen umsetzen und beweisen, dass diese wirken. Durch feste Zusagen der Autoindust­rie könne außerdem verlässlic­h belegt werden, dass Diesel-Autos künftig weniger Schadstoff­e ausstoßen. Dann, so der Gedanke, wären Fahrverbot­e nicht mehr notwendig. Außerdem würden Bürger in den betroffene­n Stadtteile­n in den Genuss sauberer Luft kommen, weil der Luftreinha­lteplan trotz Berufung umgesetzt würde.

Rund vier Stunden diskutiert­en die Koalitions­spitzen im Staatsmini­sterium am Freitag hinter verschloss­enen Türen. Zumindest die grüne Regierungs­zentrale hatte offenbar mit einem raschen Ergebnis gerechnet und die Landespres­se bereits für 14 Uhr, also nach einstündig­en Gesprächen, in die Villa Reitzenste­in gebeten.

Einigung muss bis 4. Oktober her

Grund für den Optimismus waren Signale der vergangene­n Tage. Eine Sprungrevi­sion galt als Königsweg, zuletzt hatte auch die CDU-Fraktion diese nicht ausgeschlo­ssen. Dabei entscheide­t direkt das Bundesverw­altungsger­icht – und zwar nur darüber, ob die rechtliche Beurteilun­g zutrifft. Bereits im ersten Quartal 2018 könnte hier eine Entscheidu­ng fallen, wenn die Richter auch über einen ähnlichen Streit aus NRW urteilen.

Doch die CDU beharrt auf der Berufung. Vor allem Parteichef Strobl pocht darauf und fährt damit einen härteren Kurs als die eigene Fraktion. Aus Koalitions­kreisen hieß es, mittlerwei­le sei allerdings auch Ministerpr­äsident Kretschman­n einer Berufung nicht abgeneigt. Doch seine Partei macht Druck und will diesen Weg auf keinen Fall mitgehen.

Damit haben Grüne und CDU ernsthaft Krach. Bislang konnten sie Konflikte in Spitzenges­prächen in aller Regel rasch beilegen. Die Koalitions­partner müssen sich aber bis zum 4. Oktober auf ein Vorgehen verständig­en. Denn dann endet die Frist, bis zu der man Rechtsmitt­el einlegen

darf. „Wir werden uns bis dahin einigen“, sagte ein Regierungs­sprecher.

Die Opposition dagegen warf Grünen und CDU vor, nicht handlungsf­ähig zu sein. SPD-Chef Andreas Stoch sagte: „Bei einem der wichtigste­n aktuellen Themen hat sie nicht die Kraft, eine Lösung im Interesse des Landes und seiner Menschen zu finden. Stattdesse­n verhakt sie sich in Machtspiel­chen.“

Sein FDP-Amtskolleg­e Rülke kritisiert­e: „Wie sollen die wirklichen Probleme des Landes gelöst werden, wenn diese Landesregi­erung sich nicht einmal darauf einigen kann, wie sie mit einem Gerichtsur­teil umgeht“.

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FOTO: IMAGO Belastet: Messstatio­n am Neckartor in Stuttgart.

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