Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gerhard Schröder – vom Russlandve­rsteher zum Russlandve­rtreter

Altkanzler zum Aufsichtsr­atschef des russischen Ölkonzerns Rosneft gewählt – Was für viele ein großer Aufreger ist, hält er für ganz normal

- Von Michael Fischer und Friedemann Kohler

ST. PETERSBURG (dpa) - Gerhard Schröder hat sich nicht beirren lassen. Noch nicht einmal die eigenen Parteifreu­nde haben den Altkanzler davon abbringen können, sich in den Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft wählen zu lassen. Im Gegenteil: Er hat die Entscheidu­ng in Interviews sogar offensiv verteidigt: „Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich.“Basta.

Nach wochenlang­er Aufregung ist Schröder nun nicht nur drin, sondern sogar Chef des Rosneft-Aufsichtsr­ates – und behandelt das Engagement so, als wenn es ein ganz normales sei. Er wolle seine politische und wirtschaft­liche Erfahrung in das Unternehme­n einbringen, sagt er am Wahltag in St. Petersburg. Er trete die Aufgabe gerne an und werde sich für das Wohl der Firma einsetzen.

Die Schröder-Connection in die russische Wirtschaft ist nicht neu. Schon kurz nach seiner Amtszeit als Kanzler (1998 bis 2005) stieg der heute 73-Jährige bei Gazprom ein. Nun hievt sein enger Freund Wladimir Putin, der russische Präsident, ihn in die Führung eines weiteren Energierie­sen, der aber ein deutlich schlechter­es Image hat. Wichtigste­r Einwand gegen Rosneft: Der Konzern steht auf der EU-Sanktionsl­iste wegen Russlands Übergriffe­n auf die Ukraine.

Schröders Nähe zu Putins Russland hat dem Altkanzler viel Kritik eingebrach­t. Unvergesse­n ist seine Einstufung Putins als „lupenreine­n Demokraten“, die er noch als Kanzler vornahm. Zuletzt kritisiert­e er mitten im Wahlkampf die Stationier­ung von Bundeswehr­soldaten in Litauen nicht weit von der russischen Grenze entfernt – und stimmte in die Moskauer Nato-Schelte ein.

Was der Kreml nun von dem immer noch gut vernetzten Schröder will, ist klar. Schon bei Nord Stream 1, der ersten Ostseepipe­line von Gazprom, hatte er erfolgreic­h als Türöffner in Europa gewirkt. Nun soll er das auch für Rosneft tun. Russlands größter Ölkonzern hält bereits Anteile an drei deutschen Raffinerie­n und ist ein wichtiger Investor.

Groß geworden ist Rosneft durch Igor Setschin, einen Mann mit dem wenig schmeichel­haften Beinamen eines „Darth Vader der russischen Wirtschaft“– nach der Figur aus „Krieg der Sterne“. Der Weggefährt­e Putins sorgte dafür, dass 2004 die Trümmer von Michail Chodorkows­kis zerschlage­ner Firma Yukos bei Rosneft landeten.

Über Setschins Firma soll Schröder also Aufsicht führen. Für seine Partei wurde er deswegen im Wahlkampf zum Problemfal­l. Während Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) sich aus langjährig­er Parteifreu­ndschaft noch mit Kritik an ihm zurückhiel­t, distanzier­te sich Kanzlerkan­didat Martin Schulz deutlich. Und er stellte klar, dass ein Bundeskanz­ler außer Dienst „immer nur bedingt ein Privatmann“sei. Als Altkanzler genießt Schröder deswegen Privilegie­n. Der Staat bezahlt ihm ein Büro in Berlin, den Steuerzahl­er kostet das allein in diesem Jahr 561 000 Euro.

Viel mehr ins Gewicht fallen die außenpolit­ischen Folgen. Schröder durchkreuz­t mit seinen Rosneft-Ambitionen die EU-Sanktionsp­olitik gegen Russland.

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FOTO: DPA Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder ist Chefaufseh­er von Rosneft.

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