Kein Durchbruch beim Digitalgipfel in Tallinn
Pläne für höhere Steuern für Internetkonzerne bleiben umstritten
BRÜSSEL - Bei der Digitalisierung belegt Deutschland im EU-Vergleich nur den elften Rang unter 28 Mitgliedsstaaten. Viele Verwaltungsprozeduren, die in Estland, Dänemark Schweden und Finnland bereits online erledigt werden können, sind bei uns mit einem Behördengang verbunden. Beim Digitalgipfel gestern im estländischen Tallinn forderte der Gastgeber, Estlands Premierminister Juri Ratas, mehr Schwung von seinen Kollegen. „Alle Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, den digitalen Binnenmarkt bis Ende 2018 zu verwirklichen“, sagte Ratas betont optimistisch. Dabei müssten die Regierungen mit gutem Beispiel vorangehen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nutzte den Gipfel, um seine Vorschläge für eine Neugründung Europas am Beispiel der Digitalisierung erneut darzulegen. So forderte Macron unter anderem, den Wettbewerb fairer zu gestalten. Es könne nicht angehen, sagte er gestern in Tallinn, dass die Giganten der Digitalwirtschaft wie Google die digitale Infrastruktur in der EU nutzten, dort aber praktisch keine Steuern bezahlten. Ausdrücklich schloss sich Macron dem Vorschlag der EU-Kommission an, eine Basissteuer auf den Umsatz zu erheben, den diese Unternehmen in EU-Ländern erwirtschaften.
Macron lobte das konsequente Vorgehen von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen die Verkaufsplattform von Google. „Seit Google sein Shopping-Portal so prominent herausstellt, sind die Umsätze der Mitbewerber teilweise um neunzig Prozent eingebrochen“, klagte er. Mit der Basissteuer sollen Investitionen dort finanziert werden, wo die Privatwirtschaft nicht aktiv wird, weil sie sich keine Rendite erhofft. Wenn schwach besiedelte Gebiete mit Hochgeschwindigkeitsinternet versorgt werden könnten, verbessere das die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen für Millionen Europäer, so der französische Präsident.
Bei der Frage, wie Internetgiganten mit Firmensitz außerhalb der EU dazu gebracht werden können, Steuern auf den in Europa erwirtschafteten Umsatz zu zahlen, sind die Regierungschefs gestern in Tallinn noch nicht weitergekommen. Das Thema ist heikel, weil in Steuerfragen alle Mitgliedsländer zustimmen müssen.