Die Whitney-Show kommt nach Stuttgart
Das neue Musical „Bodyguard“begeistert vor allem mit herausragenden Stimmen
STUTTGART - Wer hat es nicht schon im stillen Kämmerlein gegen die Wand geschmettert, dieses „And Ei-i-ei-i-ei will always love youhuhuhuhu”? Alle jedenfalls, die 1992 den Schmachtfetzen „Bodyguard“mit Whitney Houston und Kevin Costner gesehen haben. Die Musicalbearbeitung dieses Klassikers wird nun am Stuttgarter Palladium Theater gezeigt. Es ist eine mitreißende Hommage an die 2012 verstorbene Whitney Houston. Die Frauenstimmen, welche in Stuttgart die unvergesslichen Songs schmettern, können selbst vor strengen Whitney-Fans bestehen. Für die schauspielerische Leistung der Musicaldarsteller gilt das nicht: Da ist noch Luft nach oben.
Dass das Drehbuch für eine Bühnenfassung des Films „Bodyguard“entschlackt werden musste, war klar. Denn mit Abstand betrachtet hat das Originaldrehbuch seine Wirren. Alexander Delinaris ist es gelungen, die Handlungsstränge zu straffen. Geblieben ist die Geschichte der divenhaften Sängerin Rachel Marron, die Morddrohungen von einem Stalker erhält und deshalb von einem Bodyguard beschützt werden muss. Dem besten natürlich: Frank Farmer. Der verliebt sich in den Star, übernimmt eine Vaterrolle bei deren Sohn Fletcher – und stößt Rachels Schwester Nicki vor den Kopf, die sich ihrerseits in Farmer verliebt hat.
16 Songs von Houston
Diese Wendung ist der wesentliche Unterschied zum Film. Denn die Rivalität zwischen den beiden Schwestern – die eine erfolgreich, die andere zwar begabt, aber eben unentdeckt –, wird im Musical stärker betont. Das ist schlüssig und bereitet vor allem die Bühne für gleich zwei Sängerinnen. Aisata Blackman und Zodwa Selele, die Erstbesetzungen für beide Rollen, hatten so am Donnerstagabend bei der Premiere in Stuttgart Gelegenheit, 16 Songs von Whitney Houston zu singen – viel mehr, als in dem Originalfilm vorkommen.
Diese Songs sind das Herz des Musicals. Wenn Aisata Blackman „Didn’t We Almost Have It All“singt, ist das nicht Whitney, aber nahe dran. Die Holländerin dürften deutsche Fernsehzuschauer von ihrem Auftritt bei der Castingshow „The Voice of Germany“aus dem Jahr 2012 kennen. Bei dieser kräftigen, schwarz-souligen Stimme verzeiht man, dass sie als Schauspielerin nicht die Grazie einer Diva auf die Bühne bringt. Zudem muss man einfach nur dankbar sein, dass auf die bei Musicals übliche Übersetzung der Liedtexte ins Deutsche verzichtet wurde. Whitney Houston auf Deutsch, das wäre schwer zu ertragen. Zodwa Selele als Nicki kann mehr als mithalten mit Blackman, stimmlich eh, wie sie beim bezaubernden „All at Once“beweist. Und schauspielerisch übertrumpft sie in diesem Cast ohnehin die meisten.
Männer müssen nicht singen in „Bodyguard“. Hat Kevin Costner im Film schließlich auch nicht. Da es ganz ohne auf einer Musicalbühne aber wohl nicht geht, wurde Frank Farmer in der Bühnenfassung ein Auftritt in einer Karaoke-Bar verpasst. In der singt er allerdings gewollt so falsch, dass das Stuttgarter Premierenpublikum gerührt dahinschmilzt. Es stellt sich nur die Frage, warum eine quasi reine Sprechrolle an einen Musicaldarsteller wie den gebürtigen Serben Jadran Malkovich geht. Der ist zwar charmant, kann sicher auch richtig singen und wahrscheinlich sogar tanzen. Aber wenn er und Blackman sich in gebrochenem Deutsch durch ihre Dialoge hangeln, ist das schon weit entfernt von großer Schauspielkunst.
Ach ja, und noch einen Mann, einen kleinen gibt es. Eine ganze Gruppe von Jungendarstellern wechselt sich ab in der Rolle des kleinen Fletcher, Sohn der Diva. Fabian, der sie bei der Premiere spielte, legte einen Breakdance aufs Parkett, der an den kleinen Michael Jackson erinnerte – und daran, dass kindliche Begeisterung auf der Bühne immer funktioniert.
Dramatik bleibt auf der Strecke
Während die Rivalität zwischen den beiden Schwestern gut herausgearbeitet wird, bleibt ansonsten die Dramatik, die von der Bedrohung durch den Stalker ausgehen sollte, auf der Strecke. Die Szenen, in denen der Psychopath zuschlägt (bei einem Auftritt im Club, in der Blockhütte und bei der abschließenden OscarVerleihung) sind mehr als schlicht gehalten, wirken harmlos und erschrecken lediglich durch ihre Lautstärke.
Da machen die Tanzeinlagen der Truppe schon mehr her. Raffiniert unterstützt von Scheinwerfern und Nebel befreit Choreografin Karen Bruce die Szenen vom Disco-Muff der 80er-Jahre, nimmt Hip-Hop-Elemente auf. Davon hätte man sogar mehr sehen können, wie die Begeisterung des Publikums bei der fulminanten Abschlussszene bestätigt.