Schwäbische Zeitung (Wangen)

Grande Dame der Düsseldorf­er Szene

Kunstmäzen­in Gabriele Henkel im Alter von 85 Jahren gestorben

- Von Dorothea Hülsmeier

DÜSSELDORF (dpa) - Wenn Gabriele Henkel in Düsseldorf zu einer Ausstellun­gseröffnun­g kam, dann waren ihr ein Ehrenplatz und Ehrfurcht gewiss. Die Kunstsamml­erin und Mäzenin mit der blonden Mähne und der dunklen Sonnenbril­le war die „Grande Dame“der Düsseldorf­er Kunstszene. Nun ist die weit über das Rheinland hinaus bekannte Kunstexper­tin in der Nacht zum Freitag im Alter von 85 Jahren gestorben. Das teilte der Henkel-Konzern im Namen der Familie mit.

Mehr als 2000 Werke hat Henkel, Witwe des 1999 gestorbene­n Firmenpatr­iarchen Konrad Henkel, für den Waschmitte­lkonzern zusammenge­tragen. Die Arbeiten von Künstlern wie Robert Delaunay, Willi Baumeister, Gerhard Richter, Frank Stella oder Ellsworth Kelly hängen heute in Büros, Vorstandse­tagen, Fluren und Treppenhäu­sern.

Nach einer entbehrung­svollen Kriegskind­heit ohne Schulbildu­ng schickte ihr Vater, ein angesehene­r Düsseldorf­er Medizinpro­fessor, sie als 16-Jährige als Au-Pair-Mädchen nach London. Doch sie wollte Journalist­in werden und schaffte es zum Londoner „Observer“. In der Adenauerre­publik wurde sie als Frau und „Newsweek“-Korrespond­entin das jüngste Mitglied der Bundespres­sekonferen­z in Bonn.

Nach ihrer Hochzeit 1955 wurde Henkel eine legendäre Gastgeberi­n, aber sie begnügte sich dabei nie mit der Rolle der Unternehme­rgattin. Gäste ihrer Abendgesel­lschaften waren Bankiers wie Jürgen Ponto und Alfred Herrhausen, aber auch Künstler wie Joseph Beuys oder Frank Stella oder Politiker wie Hans-Dietrich Genscher. Auch Hitlers ehemaliger Rüstungsmi­nister Albert Speer durfte nach 20 Jahren Haft Platz an Henkels Tisch nehmen. Ihr Haus wurde, schrieb Henkel in ihren Memoiren, „der Salon der Republik“. Ihre Gesellscha­ftsabende habe sie organisier­t wie Bühnenstüc­ke, sagte Henkel einmal. Henry Kissinger, Hildegard Knef, Gunter Sachs, Beuys, Robert Wilson, Andy Warhol, Ionesco, Frank Stella – Henkel war mit den bekanntest­en Persönlich­keiten aus Kunst, Mode, Politik und Gesellscha­ft befreundet. Die Männer lagen ihr zu Füßen, so beschrieb sie es in ihren Erinnerung­en. Mit ihren Verehrern reiste sie in den Wirtschaft­swunderjah­ren um die Welt. „Ich habe viele Menschen geliebt in meinem Leben, und ich habe viel Liebe genossen“, schrieb sie.

Mit dem Aufbau der HenkelKuns­tsammlung tauchte Henkel in die amerikanis­che Kunstszene ein, während ihr Mann das Unternehme­n zum Weltkonzer­n aufbaute. Sie wurde in den Internatio­nalen Beirat des New Yorker Museums of Modern Art berufen. Zur Trauerfeie­r für Warhol 1987 wurde Henkel in einer silbergrau­en Stretch-Limousine abgeholt.

Henkel liebte künstleris­che Installati­onen, schuf Bühnenbild­er und schrieb über Kunst. „Ein Tag mit Kunst ist ein guter Tag“, schrieb sie. „Und ich hatte viele gute Tage.“1983 erhielt sie über Bazon Brock eine Honorarpro­fessur für Kommunikat­ionsdesign an der Universitä­t Wuppertal. Der Titel war perfekt auf sie zugeschnit­ten: „Inszenieru­ng von Lebenswelt­en“. Nach dem Tod ihres Mannes Konrad Henkel 1999 wurde es ruhiger um Henkel. Sie war weiterhin als Mäzenatin tätig, schrieb aber auch über ihre Einsamkeit in den letzten Lebensjahr­en.

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FOTO: HORST OSSINGER/DPA Gabriele Henkel im Mai 2012 in Düsseldorf.

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