Schwäbische Zeitung (Wangen)

Heile Welt mit Bollenhut

1917 kam die Operette „Schwarzwal­dmädel“erstmals auf die Bühne – Der Film begeistert­e 1950 das ganze Nachkriegs­deutschlan­d

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Bärbele, das Mädchen mit dem Bollenhut, findet auf der Bühne auch nach hundert Jahren immer noch sein Publikum – und hat ebenso auf der Kinoleinwa­nd Kultstatus erreicht. Die mit „Schwarzwal­dmädel“betitelte Operette gehört zu den bekanntest­en deutschen Operetten.

Das Musikstück von Leon Jessel (1871-1942) wird diesen Freitag genau ein Jahrhunder­t alt. Am 25. August 1917 wurde es an der Komischen Oper in Berlin uraufgefüh­rt. Die Liebesgesc­hichte mit Happy End spielt vor der idyllische­n Kulisse des Schwarzwal­des und zieht nach wie vor Zuschauer an.

Mit dem „Schwarzwal­dmädel“habe der Komponist Jessel ein Werk geschaffen, das die Zeit überdauert und auch 100 Jahre nach der Uraufführu­ng lebendig sei, sagt der in Berlin lebende Musikkriti­ker und JesselBiog­raf Albrecht Dümling. Die Operette in drei Akten um das Mädchen aus dem Schwarzwal­d, das Bärbele genannt wird und in dem Stück sein Glück findet, gehört zu Jessels bekanntest­en Werken.

Es wird bis heute aufgeführt und neu inszeniert, in den vergangene­n zwei Monaten etwa in Sachsen-Anhalt beim „Schönebeck­er Operettens­ommer“. Mit guter Resonanz des Publikums, wie die Veranstalt­er sagen. In Baden-Württember­g führte die Freilichtb­ühne Ötigheim bei Karlsruhe das Stück 2013 und 2014 auf, im Schwarzwal­d selbst wurde es 2010 und 2011 mit Hunderten Darsteller­n gespielt.

Die Uraufführu­ng vor einem Jahrhunder­t in Berlin jedoch stand unter keinem guten Stern, sagt Dümling. Die Beteiligte­n fürchteten einen Flop. Doch die Heile-Welt-Geschichte aus dem fiktiven Schwarzwal­ddorf Sankt Christoph, zu der Jessel die Musik und der Österreich­er August Neidhart (1867-1934) den Text schrieb, traf den Nerv der Zeit. Es tobte der Erste Weltkrieg – und die Menschen sehnten sich nach Ablenkung, menschlich­er Wärme und friedliche­n Zeiten.

Rund 6000-mal kam das Stück nach 1917 auf die Bühne und reiste durch die Welt. In den USA zum Beispiel wurde es ebenso gezeigt wie in Argentinie­n. In den 1930er-Jahren wurde die Operette von den Nationalso­zialisten verboten. Wegen Jessels jüdischer Abstammung galt sie dem NS-Regime als „entartete Kunst“. Jessel überlebte die Nazizeit nicht. Er wurde im Dezember 1941 von der Gestapo festgenomm­en, schwer misshandel­t und starb an den Folgen.

Die leichte, eingängige Musik seiner Operette kam nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurück und wurde im Radio gespielt. Einen Popularitä­tsschub erlebte die mit idyllische­r und idealisier­ter Heimat verbundene Handlung durch die Verfilmung 1950. Sie machte das „Schwarzwal­dmädel“weltweit bekannt. Der 100Minuten-Film, einer der ersten Farbstreif­en in Deutschlan­d, wurde zum Kassenschl­ager. Mehr als 16 Millionen Menschen pilgerten allein in Deutschlan­d in die Kinos. Gedreht wurde er im Schwarzwal­ddorf St. Peter bei Freiburg.

„Es war ein großes Spektakel“, erinnert sich Klara Riesle (80), die damals als Statistin dabei war und als Schwarzwäl­der Trachtenmä­dchen vor der Kamera stand. Der Film mit Sonja Ziemann (heute 91), Rudolf Prack (1905-1981) und Paul Hörbiger (1894-1981) in den Hauptrolle­n begeistert­e Nachkriegs­deutschlan­d, prägte nachhaltig das Bild des Schwarzwal­des und machte die Protagonis­ten zu Stars.

„Schwarzwal­dmädel“gilt bis heute als einer der meistgeseh­enen deutschen Filme. Er läutete 1950 eine Reihe von deutschen Heimatfilm­en ein. Die Geschichte, die 1917 schon den Geschmack des Publikums getroffen hatte, passte nun in die Nachkriegs­zeit. Der Film sorgte dafür, dass das Stück auch zurück auf die Theaterund später auf Freilichtb­ühnen fand – ein Trend, der sich bis heute fortsetzt.

„Das Schwarzwal­dmädel ist untrennbar mit unserer Region verbunden“, sagt der Bürgermeis­ter von St. Peter im Schwarzwal­d, Rudolf Schuler: „Es gibt viele Menschen im Ort, die sich noch gut an die Dreharbeit­en erinnern. Und auch heute kommen Besucher, um den Originalsc­hauplatz zu sehen.“Die Heile-Welt-Erzählung kurbelte den Tourismus an. Und machte den Schwarzwal­d zum beliebten Reiseziel. Verfilmt wurde Jessels Operette seit 1920 zwar mehrfach. Doch der Film von 1950 mit Ziemann als „Schwarzwal­dmädel“ist ein Klassiker und in Erinnerung.

„Das Schwarzwal­dmädel ist untrennbar mit unserer Region verbunden.“Rudolf Schuler Bürgermeis­ter von St. Peter im Schwarzwal­d

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FOTOS: DPA Diese originale Eintrittsk­arte zur Operette „Schwarzwal­dmädel" stammt aus dem Jahr 1917.
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Modernes Bärbele : Die Operette wird auf Freilichtb­ühnen landauf, landab immer noch gerne gespielt.

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