Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eng benachbart, konfession­ell verschiede­n

Sonderauss­tellung zur Entwicklun­g des protestant­ischen Isny und des katholisch­en Wangen

- Von Susi Weber

WANGEN - „Es ist selten ein Buch ohne Eselsohr“, lautet der Titel einer Ausstellun­g, die ab sofort und bis Ende Oktober im Stadtmuseu­m zu sehen ist. 14 Exponate aus den Predigerbi­bliotheken Wangen und Isny sind ausgestell­t. Sie reichen vom „Straßburge­r Gesangbuch“bis zum jüngst entstanden­en Martin LutherBuch „Eine ökumenisch­e Perspektiv­e“von Kardinal Walter Kasper. Mit der Ausstellun­g soll im Lutherjahr auch eine Brücke der Ökumene gebaut werden. Zur Eröffnung am Donnerstag­abend stand die unterschie­dliche konfession­elle Entwicklun­g der beiden ehemaligen Reichsstäd­ten Isny und Wangen im Spiegel ihrer historisch­en Predigerbi­bliotheken im Mittelpunk­t.

Altstadt- und Museumsver­ein und das katholisch­e Dekanat AllgäuOber­schwaben luden gemeinsam ein – und rund 50 Interessie­rte kamen. „Es ist reizvoll, beide Bücher zueinander zu stellen“, sagte Ortsheimat­pfleger und Gemeindere­ferent Stefan Wiltsche, der neben dem Isnyer Pfarrer i. R. Johannes Ringwald in die Museumsrei­he der „17er-Jahre“und den Abend einführte.

Ringwald machte klar, dass die Reformatio­n vor 500 Jahren „nicht vom Himmel fiel“, sondern eine längere Vorgeschic­hte hatte. Dazu gehörte laut Ringwald in Isny unter anderem auch, dass die katholisch­en Pfarrer ein „schlechtes Vorbild“waren, ihren christlich­e Pflichten nicht nachkamen und den weltlichen Genüssen im Übermaß und ausschweif­end frönten.

Dass die Entscheidu­ng, protestant­isch oder katholisch, letztlich auch an Persönlich­keiten hing, wurde beim Vortrag am Donnerstag schon früh klar: In Wangen gab es laut Wiltsche „über lange Zeit hinweg“sehr gebildete Geistliche, in Isny gute „neue“Prediger und eine einflussre­iche Familie, die Luther und seinen Thesen nahestande­n, und darüber hinaus katholisch­e Pfarrpfrün­de, auf die die weltliche Gemeinscha­ft schielte. Während Isny sich bereits früh und als eine der ersten Städte in Oberschwab­en der Reformatio­n anschloss, blieb Wangen katholisch.

„Entscheidu­ngen für oder gegen eine Konfession waren im 16. Jahrhunder­t in aller Regel keine individuel­len, sondern kollektive Entscheidu­ngen. Sie betrafen immer eine Stadt als Ganzes“, erklärte Hauptrefer­ent Manfred Haaga.

Schwierige Quellenlag­e

Dabei ging es nicht nur um theologisc­he Streitfrag­en, sondern auch um Politik. Schwierig, sagte Haaga, sei die Quellenlag­e für die Anfänge der reformator­ischen Bewegung der Städte Isny und Wangen. Eine wichtige Rolle in Isny spielte Prädikant Konrad Frick, der umfassend humanistis­ch und theologisc­h gebildet war und der nicht dem Patronatsh­errn, sondern der Stadt unterstand.

Unterstütz­ung erhielt Frick von den Rektoren der Lateinschu­le und von der reichen Patrizierf­amilie Buffler, die wohl auch schon sehr früh durch ihre Privat- und Handelsbez­iehungen nach Nürnberg den religiösen Neuerungen aufgeschlo­ssen war. Auch die Humanisten Dionysius Reuchlin und Paul Fagius spielten in Isny eine große Rolle. Zum Beziehungs-Netzwerk kam der strukturel­le Konflikt zwischen der Stadt Isny und dem Kloster. Es ging beispielsw­eise um Streitigke­iten über Zölle oder Wasserrech­te. „Die Reichsstad­t Isny verfügte über eine geradezu ideale Konstellat­ion für die Einführung der Reformatio­n“, fasste Haaga zusammen.

Für Wangen gilt als sicher, dass der Rat der Stadt nie aktiv das Ziel der Einführung der Reformatio­n verfolgte. „Hier waren aber auch die Verhältnis­se anders“, sagte Haaga. In Wangen wirkte seit 1510 mit Ulrich Wiser ein Stadtpfarr­er, der von der Reformbedü­rftigkeit der Kirche und des Priesterst­andes überzeugt war. Er gründete 1515 mit drei anderen Pfarrern die Ulrichsbru­derschaft, die unter anderem die fromme Lebensführ­ung der Geistliche­n als moralische­s Vorbild einfordert­e. Von Humanisten­kreisen, die die politische und wirtschaft­liche Führungssc­hicht hätten beeinfluss­en können, ist in Wangen nichts bekannt.

Anders als in Isny weckte auch kein Kloster mit seinen Rechten und seinem Vermögen die Begehrlich­keiten der Stadt. Aber auch in Wangen spielten persönlich­e Beziehunge­n eine wichtige Rolle: Andreas Schlegel, Bürgermeis­ter von 1523 bis 1544, war eng mit Abt Gerwig Blarer von Weingarten – laut Haaga dem informelle­n Anführer der Altgläubig­en – befreundet. Die Wangener setzten – auch mit aus Angst vor neuerliche­n Bauernaufs­tänden – auf eine konservati­ve, auf Bewahrung der Ordnung bedachte und damit reformatio­nsfeindlic­he Haltung. Wirtschaft­lich betrachtet brachte dies Vor- und Nachteile mit sich: Vorteile, dass sie von kaiserlich­en Handelspri­vilegien profitiere­n konnte, Nachteile, weil der Handel mit evangelisc­hen Städten erschwert wurde.

„In einem aber glichen sich die beiden Städte“, sagte Haaga – wenn auch mit entgegenge­setzter Auswirkung. Isny duldete keine Katholiken innerhalb ihres Rechtsbere­ichs. In Wangen galt der Grundsatz, dass die katholisch­e Konfession Voraussetz­ung für das Bürgerrech­t war. Von der im Städtearti­kel des Augsburger Religionsf­riedens vorgesehen­en Möglichkei­t eines „Nebeneinan­ders der beiden Konfession“haben sich beide Städte zu Gunsten der „Reinheit des Bekenntnis­ses“verabschie­det.

Wiltsche zitierte zum Schluss aus dem Kasper-Buch über Luther und damit ganz bewusst ökumenisch: „Die Einheit ist heute näher als vor 500 Jahren. Sie hat bereits begonnen. Wir sind 2017 nicht mehr wie nach 1517 auf dem Weg zur Trennung, sondern auf dem Weg zur Einheit.“

Bis 31. Oktober kann die Wangener Museumslan­dschaft und mit ihr die Sonderauss­tellung noch besucht werden. Öffnungsze­iten sind dienstags bis freitags sowie sonntags von 14 bis 17 Uhr und samstags von 11 bis 17 Uhr.

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FOTO: SUSI WEBER Die Referenten des Abends: Stephan Wiltsche, Manfred Haag und Johannes Ringwald.
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