„Ein weiter Weg mit ungewissem Ausgang“
Die drei Ravensburger Bundestagsabgeordneten zu der Frage, ob Jamaika im Bund funktionieren kann
RAVENSBURG (fh) - In Berlin hat eine lange Reise nach Jamaika begonnen. Die Vorbereitungen der ersten Sondierungsgespräche für eine schwarz-gelb-grüne Koalition laufen. Im Wahlkreis Ravensburg ist Jamaika seit vergangenem Sonntag schon ein Stück Realität: Axel Müller (CDU), Agnieszka Brugger (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP) vertreten Oberschwaben und Allgäu im Bundestag. Agnieszka Brugger sitzt als Mitglied des Verhandlungsteams sogar mit am Tisch. „Wir Grüne bereiten uns auf sehr harte Gespräche vor“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Ravensburgerin hält „die Lage im Land nach dem starken Abschneiden einer rechten Partei voller Hass und Hetze (für) sehr ernst“. Brugger: „Es geht jetzt nicht um persönliche Koalitionspräferenzen, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. Das Ergebnis der Wahl und die Verweigerung der SPD hat die Optionen stark reduziert. Deshalb werden wir nun ernsthaft, hart und ergebnisoffen ein Bündnis mit CDU, CSU und FDP sondieren. Keine der Parteien hat sich diese Konstellation gewünscht, bei den Programmen gibt es in vielen Bereichen auch sehr große Unterschiede.“
Eine grüne Regierungsbeteiligung könne es nur mit „konsequentem Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und dem klaren Bekenntnis zu einem starken, solidarischen Europa geben“. Brugger wagt keine Prognose: „Wir Grüne bereiten uns auf sehr harte Gespräche vor. Das wird ein sehr schwieriger und weiter Weg mit ungewissem Ausgang. Ich erwarte von allen Beteiligten, dass sie verantwortungsbewusst mit dieser ernsten Situation umgehen, statt nur zu poltern und sich von vornherein zu verweigern. Es wird dem Ernst der Lage nicht gerecht, wenn die CSU jetzt wieder auf die verfassungswidrige Obergrenze pocht und Herr Rülke von der FDP uns zur Aufgabe unseres ganzen Programms auffordert.“
Und was bedeutet die neue Konstellation im Wahlkreis Ravensburg für die Region? Brugger: „Die nächste Bundesregierung muss unabhängig davon, welche Koalition sich am Ende bildet, die Bedürfnisse im ländlichen Raum und der Menschen hier vor Ort im Blick haben.“
Axel Müller (CDU), direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus Weingarten, sieht drei Punkte, die in der Summe „auf Jamaika hindeuten“: „Es sollte eine für die praktische Arbeit wichtige, tragfähige und dem Wahlergebnis entsprechende Mehrheit zustande kommen, um das Land regieren zu können.“Außerdem müsse die künftige Koalition dem Wählerwillen entsprechen. Eine Große Koalition sei wohl nicht mehr gewollt. Und schließlich müssten die infrage kommenden Partner auch die Bereitschaft zur Koalition haben, sagt Müller. Sie müssten „genügend politische Schnittmengen besitzen oder Übereinkünfte bei Fragen finden, in denen sie bislang unterschiedlicher Auffassung waren“.
„Ball bei CDU/CSU“
Benjamin Strasser betont, seine Partei werde nur in eine Bundesregierung eintreten, wenn die FDP in „wesentlichen Fragen wie der Digitalisierung, der Bildungspolitik, des Euros oder der Energiepolitik einen Politikwechsel erreichen kann“. Strasser: „Erreichen wir diese Trendwenden nicht, lautet der Auftrag unserer Wähler, dass wir in die Opposition gehen.“Der Ball zur Aufnahme von Gesprächen liegt für ihn im Feld von CDU/CSU: „Die Union hat aufgrund ihres Ergebnisses erheblichen internen Klärungsbedarf. Wir sind gesprächsbereit. Es gibt eine rechnerische Mehrheit, aber Politik ist nicht Mathematik. Ob die Wähleraufträge der verschiedenen möglichen Partner widerspruchsfrei und im Interesse des Landes umgesetzt werden können, bleibt abzuwarten.“
Der Berger freut sich aber darüber, dass der Wahlkampf im Kreis Ravensburg „fair und offen“gewesen sei: „Sowohl zu Frau Brugger als auch zu Herrn Müller habe ich auf der persönlichen Ebene ein gutes Verhältnis. Gerne möchte ich dies nutzen, um gemeinsam die Interessen Oberschwabens in Berlin mit einer starken Stimme zu vertreten.“