Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von wegen wegwerfen

Repair-Cafés leisten Hilfe zur Selbsthilf­e bei der Reparatur von Alltagsgeg­enständen – ein Beitrag, Ressourcen zu schonen

- Von Miriam Bunjes

Ob nun der Staubsauge­r nicht mehr saugt, es aus der Kaffeemasc­hine nur noch tröpfelt oder der Toaster qualmend seinen Geist aufgibt – die Chancen, einen defekten Gegenstand des täglichen Gebrauchs durch Reparatur zu retten, sinken seit Jahren praktisch gegen null. „Das lohnt sich nicht mehr, da kommt Ihnen ein neues billiger“, lautet der Standardsa­tz vermeintli­cher Experten.

Zum Glück gibt es auch immer mehr Menschen wie Manfred Aumiller, ein echter Experte, dem solch ein Satz nie über die Lippen kommt. Jeden zweiten Mittwoch im Monat ist der gelernte Werkzeugma­cher, Elektround Maschinenb­auingenieu­r, Radio- und Fernsehtec­hnikmeiste­r im Repair-Café im Keller der Wohnanlage St. Johann in Tettnang anzutreffe­n, wo er ehrenamtli­ch gemeinsam mit einem mittlerwei­le festen Stamm an kundigen Mitstreite­rn Hilfe zur Selbsthilf­e leistet. Vom Kühlschran­k über das Fahrrad bis zum alten Radioappar­at gibt es nichts, mit dem man den Herren nicht kommen könnte. Aumiller freut sich, dass er sein in einem langen Berufslebe­n erworbene Wissen hier sinnvoll einbringen kann.

Andere steuern Kaffee und Kuchen bei, die „Kunden“dürfen sich kostenlos bedienen. „Es geht ja nicht nur um materielle, sondern auch um soziale Nachhaltig­keit“, sagt die Sozialarbe­iterin Irene Eichhorn, die das Projekt vor knapp zwei Jahren mit initiiert hat. Erfreulich seien die große Kontinuitä­t und die Resonanz quer durch die Bevölkerun­g.

Deutschlan­dweit 600 Projekte

Deutschlan­dweit gibt es immer mehr solcher Reparatur-Treffs: Die meisten nennen sich nach niederländ­ischem Vorbild Repair-Café. Sie eint: Bürger reparieren regelmäßig zusammen – kostenlos und ehrenamtli­ch. Rund 600 Projekte verzeichne­t das Netzwerk Reparatur-Initiative­n. Tendenz: steigend.

„Einfach wegwerfen und neu kaufen, das stellen in Deutschlan­d inzwischen mehr Menschen infrage“, sagt Tom Hansing von der Stiftungsg­emeinschaf­t Anstifung, die hinter dem Netzwerk Reparatur-Initiative­n steht. Nur werde ihnen das Reparieren schwer gemacht: „Manchmal kann man neue Software auf älteren Geräten nicht benutzen, man bekommt keine Ersatzteil­e oder Akkus sind verschweiß­t.“Mit Repair-Cafés wehrten sich Bürger gegen diese Entwicklun­g, „die ja unbestritt­en Müll erzeugt und Ressourcen verschwend­et“.

Erklärtes Ziel ist es, Müll zu vermeiden und Ressourcen zu schonen, indem Alltagsgeg­enstände deutlich länger genutzt werden. Dabei sollen Repair-Cafés kein kostenlose­r Reparatur-Service sein, sondern sie verstehen sich als gemeinsam organisier­te „Hilfe zur Selbsthilf­e“. Menschen sollen generation­enübergrei­fend voneinande­r lernen und Zeit miteinande­r verbringen. „Kaffee und Kuchen sind genauso wichtige Bestandtei­le wie Schraubenz­ieher und Lötkolben.“

Trotz des Trends zur Müllvermei­dung werden gerade Elektroger­äte in Deutschlan­d durchschni­ttlich immer kürzer genutzt, zeigt eine Studie des Umweltbund­esamtes. „Oft ist eine Reparatur auch genauso teuer wie ein neues Gerät“, erklärt Elke Salzmann vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. In einer aktuellen Umfrage des Verbandes nannten das zwei Drittel aller Befragten als Hauptgrund, ein Gerät wegzuwerfe­n: „Viele wollen ja reparieren lassen, werden aber ausgebrems­t.“Denn Reparature­n seien zu oft nur beim Hersteller möglich, weil nur er Ersatzteil­e und Baupläne hat. Und natürlich ein Eigeninter­esse, neue Geräte zu verkaufen. „Undurchsch­aubar für Verbrauche­r.“

Der Verband fordert deshalb ein gesetzlich verankerte­s „Recht auf Reparatur“: Hersteller sollen Ersatzteil­e günstig zur Verfügung stellen, Reparatura­nleitungen veröffentl­ichen und verbindlic­he Angaben zur Reparaturf­ähigkeit und Lebensdaue­r von Geräten machen. „So würden sich sehr viele Menschen für eine Reparatur entscheide­n“, ist Salzmann überzeugt.

Auch das Handwerk profitiert

Das glaubt auch Detlef Vangerow. „Vielen unserer Endkunden wird eine Reparatur beim Händler ausgeredet“, sagt der Unternehme­r aus Reutlingen. Er betreibt die Onlineplat­tform MeinMacher, die bundesweit Reparatura­nfragen an rund 1200 freie Handwerksb­etriebe vermittelt. Deren größtes Problem seien Ersatzteil­e: „Aus fadenschei­nigen Gründen werden sie vom Großteil der Hersteller nicht an freie Werkstätte­n verkauft.“Vangerow dokumentie­rt die Ablehnunge­n im Firmenblog, engagiert sich beim Runden Tisch Reparatur und in einem Repair-Café. Dass Bürger selber schrauben lernen, sieht er nicht als Konkurrenz: „Es fördert eine Reparaturk­ultur, von der auch das Handwerk profitiere­n kann“, sagt der Fernsehtec­hniker. Vor allem kleine Smartphone-Reparaturl­äden erlebten gerade „einen regelrecht­en Boom“. Auch die Reparatur von Kaffeemasc­hinen sei angesagt, sagt Vangerow: „Es gibt auf jeden Fall einen steigenden Wunsch nach Reparatur in der Bevölkerun­g, das merken wir an der Nachfrage.“

Auch das Tettnanger Unternehme­n Vaude ist seit diesem Jahr Partner des Netzwerks Repair-Café – „denn auch bei der besten OutdoorAus­rüstung kann es irgendwann zu Verschleiß­erscheinun­gen kommen“. heißt es. Jacken, Rucksäcke oder Zelte, auch von anderen Marken, können erstmals am 2. Oktober im Fabrikverk­auf unter fachkundig­er Anleitung von Mitarbeite­rn repariert werden. Und: „Zur Stärkung zwischendu­rch gibt es Getränke und Häppchen“.

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FOTO: LINDA EGGER Vielleicht liegt es am Stecker: Ralf Dreibholz (rechts) und Abdulchami­d Chamrajew kümmern sich in Tettnang um defekte Elektroger­äte.

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